Epilepsie bei Katzen: genetische & unbekannte Form

Definition

Hinweis: Gem. der ILAE 2017 wird die bis dahin als idiopathisch bezeichnete Epilepsie, aufgeteilt in genetische und unbekannte Epilepsie. Da es keine allgemein verpflichtenden Bezeichnungen gibt, Fachliteraturen vor 2018 nicht diese Anpassung haben und die alte Bezeichnung noch weit verbreitet scheint, werden in den nachfolgenden Texten bis auf Weiteres die Originalbezeichnungen der jeweiligen Fachliteratur verwendet.

Dauerhafte und sich wiederholende Anfälle ohne nachvollziehbare Ursachen werden als "idiopathisch" bezeichnet und gelten allgemein als genetisch bedingt. Dabei wird der Begriff idiopathische Epilepsie (IE) nicht auf alle Katzen mit Epilepsie angewendet, bei denen die Ursache unbekannt ist. Es bezieht sich nur auf anerkannte klinische Syndrome mit charakteristischen Merkmalen (z. B. dem Alter beim ersten Auftritt & dem Fehlen weiterer neurologischer Symptome). Jede der neueren Einteilung "genetische Epilepsie" oder "unbekannte Epilepsie" in Fachliteraturen kann also idiopathische Epilepsien umfassen.

Kryptogene Epilepsie bezieht sich auf wiederkehrende Anfälle, die durch eine Erkrankung des Gehirns verursacht wird. Die wahrscheinliche Ursache ist allerdings trotz detaillierter Untersuchungen inkl. Bildgebung nicht nachweisbar. Das können z. B. unentdeckter Sauerstoffmangel, Vorgänge im Zusammenhang mit Blutgefäßen, Veränderungen nach einer Gehirnentzündung und Spätschäden von Verletzungen sein. Tiere mit kryptogener Epilepsie können zwischen den einzelnen Anfällen Verhaltensstörungen und / oder neurologische Abweichungen (keine Anfälle) aufweisen.

Sonderform

Erwähnt sei an dieser Stelle noch das Feline Hyperästhesie-Syndrom auch als psychomotorische Epilepsie bezeichnet. Dieses geht einher mit extremer Berührungsempfindlichkeit, Lautgebung, zucken, lecken und Hin- und Herlaufen (Raserei).

Ursachen

Die Entstehung der Anfälle wird in einer veränderten Erregbarkeit von Neuronen und ihrer Synapsen vermutet. Das kann z. B. durch eine Unausgewogenheit von erregenden (Glutamat) und hemmenden (γ-Aminobuttersäure, GABA) Neurotransmittern & entsprechenden Rezeptoren sowie Ionenkanälen geschehen. Entgegen der ursprünglichen Vermutung treten fokale Anfälle auch bei Katzen mit idiopathischer Epilepsie auf. Darüber hinaus kann das gleiche Tier von verschiedenen Arten von Anfällen betroffen sein (z. B. fokaler Ausbruch mit oder ohne sekundäre Generalisierung & generalisierte Anfälle). Daher sollten die klinischen Anzeichen von Anfällen nicht verwendet werden, um die Diagnose abzuleiten.

Verbreitung

In den vergangenen Jahren belegten einige Studien, dass bei 38-41 % aller Katzen mit Epilepsie keine Ursache diagnostiziert werden kann. Daher ist davon auszugehen, dass die idiopathische Epilepsie anscheinend öfter vorkommt als bisher gedacht. Allerdings ist wichtig zu erwähnen, dass nicht bei allen Katzen dieser Studie, eine komplette Diagnostik (inkl. MRT & Liquor) erfolgte. Offenbar wurde hier die Verbreitung von symptomatischer Epilepsie vernachlässigt.

 

  • Eine andere Studie berichtet von 21-59% der Katzen, bei denen keine Ursache ermittelt werden konnte und damit als idiopathisch eingestuft wurden.
  • Im Gegensatz hierzu weist eine neuere Studie unter Anwendung strengerer Kriterien einen Anteil von lediglich 22 % epileptischer Katzen ohne Ursache aus.
  • Bei einem Großteil der Studien wird in 22-38 % der Katzen mit Epilepsie keine Ursache festgestellt.

Diagnostik

  • ausführliche Befragung des Katzenhalters durch den Tierarzt (Anamnese)

  • körperliche & geistige Untersuchungen u. a.
  • Bluttests
  • MRT des Gehirns
  • Liquoruntersuchung
  • Alter & Zeitpunkt beim ersten Ausbruch (meistens zwischen 6 Monaten und 6 Jahren)
  • Verhalten zwischen den Anfällen
  • Ausschluss von Stoffwechselstörungen, Vergiftungen & strukturellen Schäden des Gehirns

Bericht aus einer geschlossenen Gruppe von Laborkatzen

Der Nachweis einer genetischen Grundlage für sich wiederholende epileptische Anfälle ist im klinischen Bereich kompliziert. Da eine genetische Grundlage, bei diesen Katzen, weder angenommen noch belegt wurde und die diagnostischen Untersuchungen manchmal nicht komplett waren. Aufgrund einer Analyse des Katzenstammbaums wurde eine autosomal-rezessive Vererbungsform angenommen; sprich beide Elternteile mussten über den Gendefekt verfügen, um ihn zu vererben. 

Teilnehmer

  • 166 Katzen, davon hatten 23 Katzen (16 Kater & 7 Kätzinnen) wiederholt Anfälle. 14 (9 Kater & 5 Kätzinnen) dieser 23 Katzen wurden untersucht.
  • Rasse nicht angegeben

Untersuchungen 

  • Antigen-Antikörper-Reaktionstests für Hauptviren und Toxoplasma gondii

  • Serumbiochemie (Komponenten von Körperflüssigkeiten & deren biologischen Verhaltensweisen)

  • 1,5 Tesla MRT des Gehirns und Analyse der Gehirnrückenmarksflüssigkeit 

  • Hämatologie (Lehre vom Blut & seinen Krankheiten)
  • Blutgasanalyse (Gasverteilung von Sauerstoff, Kohlendioxid, ph-Wert & Säure-Basen-Haushalt im Blut)

  • Urinanalyse (chem. Zusammensetzung & feste/ungelöste Bestandteile des Harns)

  • Elektrolyte (geschmolzene oder gelöste Substanzen die sich in einem elektr. Feld trennen)

Ergebnisse

  • Die Inzucht der epileptischen Katzen ergab sechs mutmaßliche homozygote Kätzchen (keine gesunden Gene im Erbgut). Keine dieser Katzen, im Alter von 5-14 Monaten, hatte zum Zeitpunkt der Studie Anfälle. 
  • Die meisten Anfälle traten während des Schlafes auf und machten sich bemerkbar durch Kopfdrehen, einseitige Gesichtszuckungen, vermehrten Speichelfluss und Kreisen; gefolgt von generalisierten tonisch-klonischen Anzeichen.
  • Ein zwischen zwei Anfällen veranlasstes Kopfhaut-EEG unter Sedierung/Anästhesie zeigte häufige Entladungen, die aus Spikes und scharfen Wellen bestanden.
  • Krampfanfälle traten bei 6 von 14 epileptischen Katzen (43 %) mit einer Häufigkeit von 0,5 bis 19 Anfällen / Monat während der 2-monatigen kontinuierlichen Videoüberwachung auf.
  • Die Katzen wiesen eine genetische Anfälligkeit für wiederkehrende Anfälle auf.
  • Das Alter beim ersten Anfall lag zwischen 4-12 Monaten. In einer anderen Studie wurde das Alter mit 12-48 Monaten angegeben.
  • Die physischen & psychischen Ergebnisse der Untersuchungen waren unauffällig.
  • Alle Katzen hatten fokal-einsetzende komplexe Anfälle; gefolgt von sekundär generalisierten tonisch-klonischen Anfällen.

Therapie 

Erstaunlicherweise ist für Katzen z. Z. kein antiepileptisches Medikament zugelassen. Es gibt in Deutschland drei Medikamente, die in zur Epilepsiebehandlung beim Hund zugelassen sind. Davon kommt so gut wie immer Phenobarbital bei Katzen zum Einsatz. Der Grund dafür ist, das Phenobarbital bei Katzen eine solide Wirksamkeit entfaltet. Selbst 50 % aller Katzen mit idiopathischer Epilepsie werden unter Phenobarbital frei von Anfällen. Leider weisen Katzen oftmals nach dem Aussetzen der Antiepileptika wieder Anfälle auf. Deshalb muss eine dauerhafte Therapie erfolgen. Die Verabreichung von Luminaletten kann bei den Fellnasen ein schwieriges Unterfangen werden, weshalb von Fall zu Fall entschieden wird wie die Medikamente verabreicht werden.

Mögliche Nebenwirkungen von Phenobarbital

  • Immun vermittelte Überempfindlichkeit z . B. Hautentzündung (Dermatitis) und Lymphknotenschwellung (Lymphadenopathie).
  • verminderte Anzahl weißer Blutkörperchen (Leukopenie)
  • Blutplättchenmangel (Thrombozytopenie)
  • Erhöhung der Leberenzymwerte
  • Störung in der Bewegungskoordination (Ataxie)
  • teilw. Lähmungen (Paresen)
  • Dämpfung des zentr. Nervensystems (Sedation)
  • ungewöhnlich gesteigerte Nahrungsaufnahme
Ein wesentlicher Pluspunkt für Phenobarbital ist, das alle diese Symptome nach dem Absetzen reversibel sind. Möglich ist auch die Verwendung von Medikamenten, die ursprünglich für Menschen vorgesehen waren. Das geschieht häufig dann, wenn die Katze nicht auf Phenobarbital anspricht. Es wurden z. B. positive Erfahrungen bei der Behandlung mit Levetiracetam gemacht. In Notfällen kann als einleitendes Medikament intravenös Diazepam verabreicht werden. Allerdings ist der Einsatz von Diazepam umstritten, denn ist in der Lage eine akute Lebernekrose auszulösen. Aus diesem Grund sollte bei Katzen mit Leberschäden Diazepam nicht verabreicht werden.

Neuartige und ergänzende Behandlungen

Da der Einsatz von Standardmitteln bei Katzen mit idiopathischer Epilepsie nur eingeschränkt funktioniert, gibt es einen Markt an ergänzenden Behandlungsmöglichkeiten. Deren Minuspunkte sind im Zusammenhang mit Katzen, das sie nicht ausreichend erforscht, zu teuer, zu aufwendig und/oder unerwünschte Nebenwirkungen haben. Außerdem ist nicht eindeutig, ob die in menschlichen Studien gemachten Erfahrungen direkt auf Katzen übertragen werden können. Darüber hinaus sind manche pflanzlichen Stoffe in Verbindung mit Standardmedikamenten in der Lage die Wirkung zu beinträchtigen und damit epileptische Anfälle zu verschlimmern. 

  • Neurostimulation
  • Vagusnervstimulation
  • Thalamus Stimulation
  • Akupunktur
  • Ernährungstherapie
  • Chirurgische Therapie
  • Homöopathische Therapie
  • Pflanzenheilkunde

Meinung: Anfälle können ein lebensbedrohliches Ausmaß annehmen, die unbehandelt schwere Schäden und Leid für Tier und Halter bedeuten können. Deshalb rate ich eindringlich von einer nicht gut erforschten und belegten Behandlungsmethode inkl. Eigenversuchen ab. Zumindest zurzeit stellen sie keine Behandlungsmethode da, die man in Erwägung ziehen sollte. Lebensbedrohende Krankheiten sind kein Feld für Experimente! Verlassen Sie sich bitte nur auf fachmedizinisches Personal. 

Prognose

Die Lebenserwartung von Katzen mit idiopathischer Epilepsie ist deutlich höher als von Katzen mit einer strukturellen Epilepsie.