Epilepsie bei Katzen: Grundlagen der Diagnostik & Diagnose

Faktisch betrachtet ist ein Anfall ein (meist) vorübergehendes Auftreten von Symptomen bedingt durch abnorme, übermäßige oder synchrone neuronale Hirnaktivität. Dieses äußert sich auf verschiedene Art & Weise und wird durch verschiedene Auslöser verursacht. Das mannigfaltige Erscheinungsbild wird daher teilweise mit reaktiven Anfällen & Störungen wie Narkolepsie/Kataplexie, neuromuskulärem- und metabolischem Kollaps wie z. B. niedrigem Blutzucker (Hypoglykämie), Bewegungsstörung (Dyskinesie), Synkopen oder vestibulären Störungen verwechselt. Deshalb sind bzgl. der Untersuchung folgende Fragen zu beantworten:

  • Hat das Tier tatsächlich Anfälle?

  • Wenn ja, was ist der Grund?

Bei Katzen mit generalisierten tonisch-klonischen Anfällen inkl. Bewusstseinsverlust, Speicheln, Urinieren & Defäkation kann die Diagnose relativ schnell erfolgen. Kommt es zu fokalen oder atonischen Anfällen gestaltet sich die Diagnosefindung schwieriger. Die Art des Anfalls kann im Prinzip nur bei gleichzeitiger Beobachtung von elektroenzephalographischen Anomalien (EEG) & klinischer Ausprägung bestätigt werden, was jedoch bei Katzen nur vereinzelt durchführbar ist. In den meisten Fällen verlässt sich der Tierarzt deshalb auf die konkrete Beschreibung und das Videomaterial des Katzenhalters. Folgende Hinweise legen hierbei einen Anfall nahe:

  • Anzeichen vor und nach den Anfällen (Vorboten, Aura)

  • Schneller und nicht vorhersagbarer Beginn & Ende des Vorfalls

  • Unwillkürliche motorische Aktivität und/oder abnormales Verhalten

  • Autonome Anzeichen und stereotypische Muster 

Diese Informationen bilden die Grundlage für die folgenden Untersuchungen. Es folgt eine ausführliche Anamnese, sowie die körperliche und neurologische Untersuchung. Durch die Testergebnisse kann der Tierarzt eine differenzialdiagnostische Diagnoseliste erstellen und anschließend entsprechende Tests auswählen und bewerten. Sobald der Auslöser bestimmt wurde ist die Einleitung einer individuellen Therapie und zumeist die Vorhersage einer Prognose möglich.

Primärdiagnostik

Krankengeschichte

Eine ausführliche und exakte Beschreibung des Katzenhalters bildet die Basis der Untersuchung. Zeit, Geduld, Fachkenntnisse und Erfahrung sind der Garant für eine gute Anamnese. Die Verwendung eines allgemein verständlichen Wortschatzes, Mitgefühl und Empathie, ermöglichen einen positiven Beziehungaufbau zum Katzenbesitzer. Der Tierhalter sollte bei seinen Antworten nicht subjektiv beeinflusst werden und sich auch bei einem "Ich weiß nicht" oder "Ich bin nicht sicher" wohl fühlen. Denn diese Antworten sind effektiver als auf Unsicherheit basierende Antworten. Dem Stellen von allgemeinen Fragen, sollten sich spezifische Fragen anschließen. Bestenfalls lassen diese Rückschlüsse auf Merkmale einer Anfallsaktivität zu und offenbaren andere neurologische oder Verhaltensanomalien. Bei Katzen mit neurologischen Anomalien innerhalb des Schädels helfen insbes. Informationen über den Beginn, Verlauf und alle Faktoren (inkl. Behandlung), die den Krankheitsverlauf beeinflussen, um die Differentialdiagnostik durchführen zu können.

Allgemeine Amnamnese

Informationen über Rasse, Geschlecht und Alter können den Verdacht auf bestimmte Erkrankungen lenken. Es sollte auch auf mögliche Erkrankungen der Mutterkatze bzgw. die Zeit während der Schwangerschaft  geachtet werden. Das kann z. B. ein Trauma, eine Vergiftung, Fehlernährung, die Futteraufnahme, den Wohn- & Herkunftsort, Kontakt mit anderen Tieren oder eine kürzliche Medikamentengabe (z. B. Insulin) beinhalten. Ebenso sollte eine Tollwutanamnese durchgeführt werden.

Amnamnese im Zusammenhang mit Anfallsgeschehen

Der Veterinärmediziner sollte sicher gehen, dass der Katzenhalter echte Anzeichen eines Anfalls beschreibt und keine Erkrankungen des Herzens, der Gefäße, des Kleinhirns, Bewegungsapparats oder (Brust)Schmerzen. Deshalb sollten die Hinweise Symptome eines aktiven Anfalls enthalten. Weitere wichtige Informationen bei Vorliegen echter Anfälle umfassen Anfallshäufigkeit, Erholung zwischen den Anfällen, Uhrzeiten, Anfallsdauer und mögliche auslösende Ereignisse. Eigenarten vor und nach den Anfällen können bedeutungsvoll sein, um in der Zukunft liegende Anfälle vorherzusagen oder um zu bestätigen, dass der Vorfall wirklich ein Anfall war.

Körperliche (neurologische) Untersuchung

Eine umfängliche neurologische Untersuchung sollte nicht unvermittelt nach einem Anfall erfolgen. Es ist erforderlich, das die Katze sich erst von dem letzten Anfall vollständig erholt hat. Defizite der Schädelnerven, der eigenen Wahrnehmung, Bewegungs- und Sehstörungen sind einige der Anomalien, die dazu beitragen können, die Ursache auszumachen. Untersucht werden sollte die Katze auf ein Schädel-Hirn Trauma, Schädelverformung oder offene Fontanellen bei Jungkatzen (evtl. Wasserkopf). Zusätzlich ist eine augenärztliche Untersuchung unerlässlich, um Netzhautschäden zu erkennen - was auf eine Infektion, Entzündung, Bluthochdruck oder Lymphom hinweisen kann. Zu beachten ist hierbei, dass mittels regulärer neurologischer Untersuchung eine strukturelle Hirnerkrankung nicht ausgeschlossen ist. Abgewetzte Krallen können ein Hinweis auf eine gestörte Eigenwahrnehmung der Katze sein.

  • Bewertung von Bewusstsein & Verhalten
  • Haltungsreaktionen & Gang
  • Hirnnervenfunktion & Spinalnervenreflexe
  • Muskelmasse- & tonus

  • Schmerzwahrnehmung
  • Abtasten von Kopf, Wirbelsäule & Muskeln

Die Reihenfolge der Auswertung ist sowohl abhängig vom Verhalten der Katze als auch der Arbeitsweise des Tierarztes. Teilbereiche der neurologischen Untersuchung können bereits in die allgemeine körperliche Untersuchung integriert werden. Zumindest die neurologischen Untersuchungsergebnisse sollten hierbei notiert werden. Es folgt eine Beschreibung der neurologischen Untersuchung mit Schwerpunkt auf der Bewertung von Katzen mit einer Anfallshistorie. Zunächst sollte es dem Tier erlaubt sein, den Untersuchungsraum zu erkunden, während die Anamnese aufgenommen wird. In diesem Zusammenhang kann der Veterinärmediziner folgende Beobachtungen machen:

  • Wie bewegt sich die Katze im Raum?
  • Wie ist der mentale Status?
  • Welches Verhalten zeigt die Katze?
  • Wie stellt sich ihr Gang dar?

  • Kommt es zu unwillkürlichen Bewegungen bzw. Bewegungsstörungen?

Während der Erkundung kann sich die Katze bestenfalls entspannen. Katzen mit einer traumatischen Gehirn- und Wirbelsäulenverletzung, sollten natürlich so lange ruhig gestellt werden, bis die Instabilität der Wirbelsäule beendet ist und eine Teilbewertung der Organsysteme und Verletzungen auf Basis des Notfall-Triage-Systems vorgenommen wurde.

Bewusstsein & Verhalten

Das Bewusstsein und Verhalten der Katze wird beurteilt, indem die Reaktion des Tieres auf die Umwelt beobachtet wird. Reaktionen auf verschiedene Einflüße sollten im Zusammenhang mit der Norm für diese Spezies, Rasse und Alter interpretiert werden. Informationen vom Tierhalter können helfen festzustellen, ob die Reaktionen des Individuums als normal oder abnormal interpretiert werden sollten. Die Ebene des Bewusstseins beruht auf der funktionellen Integrität des aufsteigenden retikulären Aktivierungssystems (ARAS) im Hirnstamm und in der Großhirnrinde. Das ARAS empfängt sensorische Reize von innerhalb und außerhalb des Körpers und projiziert diese durch den ARAS Zwischenhirnabschnitt diffus in die Großhirnrinde.

  • Bei normalem Bewusstsein sind Katzen aufmerksam und reagieren auf Umwelteinflüsse.

  • Schwache Katzen hingegen sind fast inaktiv und reagieren nicht entsprechend auf die Umwelt. Hinzu kommt ein höheres Schlafbedürfnis und sie reagieren erst nach Berührung oder akustischen Reizen. Ursächlich für diese Einschränkungen können systemische Erkrankungen (Fieber, Anämie), eine diffuse Hirnrindenstörung oder ein Hirnstammschaden sein.

  • Katzen mit Stupor schlafen für gewöhnlich und benötigen starke Berührungsreize, laute Geräusche oder schmerzhafte Reize um eine Reaktion hervorzurufen.

  • Bei Vorliegen eines Komas sind die Tiere bewusstlos und können selbst mit schmerzhaften Reizen nicht erwegt werden, obwohl die Reflexe intakt sein können. Stupor und Koma weisen auf eine zumindest teilweise Trennung zwischen dem aufsteigenden retikulärem Aktivierungssystem (ARAS) und der Großhirnrinde hin.

  • Hyperaktivität und übertrieben Reaktionen auf Umweltreize sind Anzeichen eines Deliriums.

  • Verwirrte Katzen sind sich der Umwelt nicht gänzlich bewusst und reagieren unangemessen auf Umweltreize.

Minimale Datenbasis

Am Anfang der Untersuchung sollte ein komplettes Blutbild (CBC), biochemisches Profil*, Urinanalyse und Tests auf das Feline Leukämie-Virus (FeLV) & Feline Immundefizienz-Virus (FIV) stehen. Dieses Vorgehen soll der Beurteilung des allgemeinen Gesundheitszustands sowie dem Screening der Katze dienen - die zugrunde liegende Ursache des Anfalls ergründen. Katzen die älter als 6 Jahre sind, sollten zusätzlich auf Schilddrüsenüberfunktion (Gesamt-T4) untersucht werden.

*biochemisches Profil: Das biochemische Profil ist eine Reihe von Blutuntersuchungen, mit denen die Funktionsfähigkeit mehrer gefährdeter Organe (z. B. Leber & Niere) und Systeme bewertet wird. Diese Tests können nüchtern oder nach dem Essen durchgeführt werden und kommen meist in Kombination mit einem vollständigen Blutbild (CBC) zur Anwendung.

Zur Bewertung von metabolischen und infektiösen Anomalien ist eine komplette Untersuchung, vollständiges Blutbild (CBC), biochemisches Profil, Urin - und Stuhluntersuchungen, Röntgenaufnahmen (Brust & Bauch), Tests auf das Feline Leukämie-Virus (FeLV) & Felines Immundefizienz-Virus (FIV), Blutdruckmessung und Elektrokardiografie (EEG) notwendig. Besteht der Verdacht auf eine Leberstörung, sollte auch ein Gallensäuretest und weitere Leberfunktionstests gemacht werden.

Sekundärdiagnostik

Bildgebende Verfahren (Radiografie, CT, MRT)

Radiografie

Die Radiografie des Schädels liefert nur bei Vorliegen eines Traumas und vereinzelt bei Hydrozephalus sinnvolle Informationen. Im Zusammenhang mit dem Screening auf systemische Infektionskrankheiten und metastatische Neoplasien ist die Aufnahme des Thorax hilfreich.

CT/MRT

Die Bildgebung des Gehirns mittels MRT oder CT ist bei Katzen im Alter von unter 1 Jahr oder über 5 Jahren angebracht. Computertomografie (CT) und Magnetresonanztomografie (MRT) sind spezielle bildgebende Verfahren die bei der Identifizierung von fokalen Gehirnläsionen helfen. Sofern nicht vor Ort nutzbar verfügen viele tierärztliche Lehrkrankenhäuser über CT- oder MRT. CT oder MRT werden üblicherweise vor der Entnahme und Analyse von Liquor (CSF) durchgeführt. MRT ist dem CT in diesen Fällen überlegen, das es Gewebe detaillierter darstellt. Die Bewertung einer vermuteten strukturellen Abnormalität innerhalb des Schädels umfasst entweder CT oder MRT.

EEG

Hiermit werden abnormale elektrische Aktivitäten bei epileptischen Patienten identifiziert. Es ist keine routinemäßig verfügbare tierärztliche Diagnosemöglichkeit. Die EEG-Werte sind nicht bei allen an Epilepsie leidenden Katzen abnormal und ein normales EEG schließt eine Epilepsie nicht aus. Das EEG kann aber helfen, eine Schädigung im Gehirn genauer zu lokalisieren bzw. ein Krampfanfall von einer Verhaltens- oder Bewegungsstörung abzugrenzen. Eine Bestätigung der Epilepsie kann nur durch gleichzeitiges Beobachten typischer EEG-Veränderungen und der körperlichen Anzeichen erreicht werden.

Hämatologie, Serumbiochemie und Urinanalyse

Ein vollständiges Blutbild, eine umfassende biochemische Serumuntersuchung inkl. Blutzucker [nüchtern], Elektrolyte und Gallensäurewerte, sowie eine Urinanalyse sollte bei allen Katzen durchgeführt werden, bei denen die Anamnese den Verdacht eines Krampfanfalls offenbart hat. Diese Tests können zwar unauffällig sein, dennoch sind sie in der Lage folgendes aufzudecken:

  • unspezifische Anomalien
  • Veränderungen des Blutes die auf eine Infektionskrankheit hinweisen

  • biochemische Eigenschaften die einen Auslöser vermuten lassen

  • Abweichungen die die konkrete Ursache der Anfälle sein können wie z. B. Konzentration von Glukose und ionisiertes Calcium

  • Notwendigkeit weiterer spezieller Untersuchungen

Leberenzyme können einen gewissen Zeitraum nach einem Anfall aufgrund von Sauerstoffmangel im Gewebe (Hypoxie) und niedrigem Blutdruck erhöht sein. Die angesprochenen Tests liefern Hinweise über den allgemeinen Gesundheitszustand vor der Vollnarkose, die für Untersuchungen wie MRT, Entnahme von Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit und vor Beginn der antiepileptischen Behandlung erforderlich sein können.

Besteht der Verdacht auf eine Infektionskrankheit sollten entsprechende serologische Tests durchgeführt werden (häufig FeLV & FIV). Diagnostische Labore können auch auf Toxoplasmose, Neosporose und Cryptococcus-Antigene testen. Aufgrund der Testeinschränkungen (d. H. mangelnde Aussagekraft für infektiöse Peritonitis bei Katzen [FIP]) sollte der Feline Coronavirus-Test mit Vorsicht durchgeführt werden. Die Serumelektrophorese kann insbes. hilfreich sein, wenn FIP vermutet wird. Zur Identifizierung portosystemischer Shunts (PSS) eignet sich das gewonnene Gallensäure-Serum im nüchternen Zustand als auch nach dem Essen. Die Bestimmung der Gallensäurewerte kann insbesondere bei Jungkatzen mit Krampfanfällen angebracht sein.

Leberfunktionsprüfung

Besteht der Verdacht einer Leber-Hirn-Störung (hepatische Enzephalopathie) sollten Ammoniakkonzentrationen und Gallenäurewerte mittels Plasmas untersucht werden. Hierdurch ist bei jeder Katze eine gute Beurteilung der Leberfunktion möglich. Die Katze muss evtl. bei der durch die Leber verstoffwechselten/ potenziell Leber-schädigenden Antiepileptika (AEMs) wie Phenobarbital behandelt werden.

Blutdruckbestimmung

Die Blutdruckmessung ist besonders bei der älteren Katze mit Nieren- oder Schilddrüsenerkrankungen  und akuten Anfällen nützlich um einen evtl. Bluthochdruck festzustellen.

 

CSF-Analyse (Cerebrospinal fluid/Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit)

Diese Untersuchung sollte von einem Spezialisten durchgeführt werden, da die Flüssigkeit innerhalb  kürzester Zeit analysiert werden muss und der Eingriff ein Risiko für die Katze darstellt. Zur kompletten Analyse gehört die Messung des Proteingehalts, die zytologische Analyse und zumindest teilweise das Kultivieren oder serologische Testen auf Kryptokokken & Co. Der sog. Tap-Test sollte nicht durchgeführt werden, wenn der Verdacht auf einen erhöhten Hirndruck besteht. Hierbei werden ein oder mehrmals gewisse Mengen Liquor über mehrere Stunden abgelassen.

Charakteristisch für Katzen mit Gehirntumor ist ein Proteinanstieg bei normaler Zellzahl. Es kommt jedoch auch stellenweise zu normalen Ergebnissen - Tumorzellen sind im Liquor selten zu sehen. Es ist wichtig die Entnahme sorgfältig durchzuführen, denn ein erhöhter Hirndruck in Kombination mit einem Gehirntumor kann bei der Liquorablassung einen Hirnbruch verursachen. Im Zusammenhang mit dem durch den Tumor verursachten hohen Schädelinnendruck und die Ausweitung der CSF kann es zu Bandscheibenvorfällen kommen. Liegen entzündliche Liquor/zusammenhängende ZNS-Befunde vor, sollte die Durchführung von Serologie/PCR und/oder Liquor-PCR für alle im Land gemeldeten Infektionskrankheiten veranlasst werden.

 

Diagnostische Untersuchung der Anfallsaktivität

  • Generalisierte Anfälle > erweiterte klinische-pathologische Tests > Störung außerhalb (extrakraniell) des Schädels [Vergiftung (Intoxikation), niedriger Blutzucker (Hypoglykämie), Leber-Hirn Störung (hepatische Enzephalopathie)]

  • Generalisierte Anfälle > normale klinische-pathologische Tests, normale neurologische Untersuchung, normale Liquoranalyse, CT und/oder MRT > unbekannte Epilepsie oder Restschaden

  • Generalisierte Anfälle > normale klinische-pathologische Untersuchungen, normale oder erweiterte neurologische Untersuchungen - erweiterte Liquoranalyse, CT und/oder MRT > strukturelle/metabolische Epilepsie [Hirnentzündung (Enzephalitis), Kopftrauma, Gewebewucherung/Tumor (Neoplasie) oder Wasserkopf (Hydrozephalus)]

  • Fokale Anfälle mit sekundärer Generalisation > normale klinische-pathologische Tests, normale neurologische Untersuchung, normale Liquoranalyse, CT und/oder MRT > unbekannte Epilepsie oder Restschaden

  • Fokale Anfälle mit sekundärer Generalisation > normale klinische-pathologische Tests, normale oder erweiterte neurologische Untersuchung - erweiterte Liquoranalyse, CT und/oder MRT > strukturelle/metabolische Epilepsie [Enzephalitis, Kopftrauma, Neoplasie oder Hydrozephalus]

Diagnosehinweise

  • Eine aufwendige und kostspielige Untersuchung ist bei Katzen die zum ersten Mal einen Anfall haben, evtl. nicht angebracht, da es durchaus Fälle gibt, bei denen es ein einmaliges Ereignis ist. Zur vollständigen Diagnose wird eine ausführliche Anamnese, allgemeine & neurologische Untersuchung, Augenspiegelung (Ophthalmoskopie), FeLV- und FIV-Test sowie minimale Datenbasis (inkl. Glukose und Kalzium) empfohlen.

  • Bei Katzen mit mehreren Anfällen kann es hilfreich sein, relevante Notizen zu machen (Verlauf etc.). In einigen Fällen können solche Informationen Hinweise auf die vielleicht bislang unbekannte Ursache geben.

  • Ketamin erhöht den Hirndruck und sollte deshalb bei Katzen mit vorhergehenden Anfällen nicht zur Sedierung verwendet werden. Phenothiazine (einschließlich Acepromazin) sind in der Lage die Anfallsschwelle abzusenken und werden daher nicht empfohlen.

  • Beidseitige neurologische Defekte treten bei struktureller/metabolischer und reaktiver "Epilepsie" auf. Sind die neurologischen Defekte einseitig wie z. B. beim sog. Kreisen, sollte der Tierarzt nach einer strukturellen Hirnerkrankung suchen. Katzen können übrigens in der Zwischenzeit auch frei von neurologischen Anzeichen sein.

Sonderfall unbekannte Epilepsie

Die unbekannte Epilepsie ist eine Diagnose, die auf dem typischen Erkrankungsalter, dem Fehlen von Anomalien zwischen den Anfällen und dem Ausschluss anderer Ursachen beruht (Anfallsmuster). Ältere Studien geben bei rund 22–38 % der Katzen unbekannte Ursache an. In jüngerer Zeit dokumentieren Studien, dass sogar bei 38–41 % der Katzen keine Ursache feststellbar ist. Es gab allerdings eine Haupteinschränkung, denn nicht bei allen Katzen wurde eine MRT & Liquoruntersuchung gemacht. Somit kann das Vorliegen einer strukturellen/metabolischen Epilepsie im Nachhinein nicht ausgeschlossen werden. Neueste Studien unter Anwendung engerer Kriterien weisen noch 22 % Katzen mit unbekannter Epilepsie auf. Treten bei einer gesunden Katze in den Wochen vor den Anfällen unbestimmte & vorübergehende Anzeichen wie verminderter Appetit oder Magen-Darm auf, kommt eine virale Gehirnentzündung oder unbekannte Epilepsie infrage. Unbekannte Epilepsie ist in der Regel nicht mit neurologischen Ausfällen verbunden, es sei denn, die Anfälle sind schwerwiegend oder dauerhaft. Der neurologische Status kann jedoch bis zu 24 Stunden nach einem Anfall abnormal sein, sodass die Auswertung am nächsten Tag besser ist.

Strukturelle/metabolische Epilepsie

In rund 25 % der Fälle hat der Auslöser einen strukturellen/metabolischen oder toxischen Hintergrund. Strukturelle/metabolische Epilepsie kommt in Betracht, wenn die Anfälle unter dem 1. oder nach dem 5. Lebensjahr auftreten, die Katze an fokalen Anfällen leidet, akut mehrere Anfälle auftreten oder bei der Anamnese, Untersuchung oder Labortests Anomalien zwischen den Anfällen festgestellt werden. Häufige Grunderkrankungen sind hepatische Enzephalopathie, chronischen Nierenversagen (Urämie), Schäden durch niedrigen Blutzucker (Diabetes mellitus), Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreoidismus), Thiaminmangel, Polycythaemia vera, Blutarmut (Anämie), Kaliummangel (Hypokaliämie), Verlust der Nebennierenrinde (Morbus Addison) oder Vergiftungen mit Permethrin & Organophosphaten.

In rund 50 % der Fälle bewirken strukturelle Anomalien im Gehirn die Anfälle. Meist handelt es sich um entzündliche Erkrankungen insbes. um FIP. Bei der neurologischen Form kommt es zur Einwanderung von Neutrophilen & Makrophagen in die Epithelschicht, die das Ventrikelsystem des Gehirns & den Zentralkanal des Rückenmarks auskleidet (pyogranulomatöse Ependymitis), Entzündung der Aderhaut im Auge (Chorioiditis), Hirnhautentzündung (Meningitis) und echogenem Saum (Periventrikulitis). Kommt es zu einer durch Zerfallsprodukte verursachten Abflussstörung des Liquors im Ventrikelsystem ist die Bildung eines Wasserkopfs möglich. Da bei einer neurologischen FIP Anfälle die einzige Symptomatik sein können, gestaltet sich die gesicherte Diagnose schwierig. Stark erhöhte Antikörpertiter gegen Coronaviren, deutlich erhöhte Globulinfraktionen im Blutplasma (Hyperglobulinämie) sowie eine gemischtzellige, vorwiegend neutrophile Zellanzahl im Liquor können Anzeichen für diese Form darstellen. Weitere Ursachen für eine Gehirnentzündung (Enzephalitis) sind Toxoplasmose, bewegende Nematoden, Bakterien aber auch eine unklare Entstehungsgeschichte.

Gehirntumore können ebenfalls ein Grund für Anfälle sein - bei älteren Katzen oft Meningeome und bei jüngeren Katzen Lymphome. Es wurden aber auch Gliome (Astrozytom, Glioblastom) oder Metastasen festgestellt. Rund 25 % der Katzen mit Tumoren zeigen außer Krampfanfälle keine weiteren neurologischen Symptome. An nächster Stelle der strukturellen/metabolischen Epilepsie stehen Schädel-Hirn-Traumata. Diese kommen fast genauso oft in Betracht wie Blut- & Gefäßschäden (Bluthochdruck, Blutungen, Thrombosen, Infarkte, Entzündungen). Letztlich kann auch eine lysosomale Speicherkrankheit der Grund für die Anfälle sein.

Abhängig vom Autor und Fachbuch wird die feline Hippocampusnekrose mit 4–11 % als Verursacher angegeben. Typisch für dieses Syndrom ist, das die sitzende Katze oft komplexe fokale Anfälle hat, ins Leere starrt, Gesichtszuckungen, Schmatzen, Kauen und Speicheln. Nach bzw. zwischen den Anfällen zeigt diese sich aggressiv und weist Verhaltensänderungen auf. Im MRT zeigt sich eine Flüssigkeitsansammlung (Ödem) beidseitig des Hippocampus und dem Temporallappen - der Liquor ist zumeist unauffällig. In der Gewebeuntersuchung werden Nekrose & Degeneration sowie geringe Entzündungszeichen im Hippocampus deutlich. Vermutlich steckt dahinter ein immunvermitteltes Geschehen, bei dem Antikörper gegen spannungsabhängige Kaliumkanäle eine Rolle spielen.