Katzenverhalten: Entwicklung, Genetik und Instinkte

Die Ursache(n) für auffällige Verhaltensmuster liegen hier weiter zurück als die direkten Auslöser und sind im instinktiven Verhalten begründet. 

  • stark ausgeprägte Territorialität 

  • unvollständige Domestikation

  • unzureichende Sozialisierung

Katzen sind einzigartige Tiere inkl. ihres Verhaltens und ihrer natürlichen Bedürfnisse. Erstens sind die meisten Katzenarten von Natur aus selbständig und sehr territorial – eine Tatsache, die eine Vielzahl von Verhaltensweisen mit sich bringt, die den Halter später herausfordern können. Zweitens sind Hauskatzen nicht vollständig domestiziert – einige scheinen darüber hinaus mehr von den ursprünglichen Instinkten zu behalten. Beim Kontakt mit Katzen sollte man stets daran denken, das es halbwilde Raubtiere sind und nicht der Vermenschlichung (Anthropomorphismus) anheimfallen.

Selbständige, starke & territoriale Überlebenskünstler

Alle anderen – domestizierten – Tiere wie Pferde, Schafe, Schweine, Rinder, Hühner und Hunde (Wölfe) begannen in der Wildnis als Herdentiere und leben instinktiv in Gruppen. Die evolutionären Gründe für die Gruppenbildung dienen der Überlebensfähigkeit.

  • Unterschiedliche Ressourcenverteilung – Zusammenschluss zum Schutz oder zur kooperativen Jagd.

  • Die Beutegröße z. B. die der Hunde (Wölfe) erfordert Gruppenbildung.

Im Gegensatz zu Katzen hatten die meisten der heutigen domestizierten Tiere selbst in der Gruppe Schwierigkeiten, als Art zu überleben. Mittlerweile sind viele Wildformen dieser Gattungen fast oder ganz ausgestorben. Die Domestikation war oft der einzige Grund dafür, dass einige dieser Arten heute noch leben. Genau an dieser Stelle »spielen« Katzen ihre Trümpfe aus.

Katzen gehören zu den erfolgreichsten Jägern und Haustieren der Welt

Katzen befanden sich in ihrer natürlichen Umgebung bisher nicht in evolutionären Schwierigkeiten. Sie bedurften zum Überleben weder einer Verbindung mit Menschen noch war eine genetische Transformation zur Anpassung notwendig. Den Urmenschen gelang es nur die Vorfahren von Hunden, Rindern und Schafen zu zähmen, weil diese Arten bereits das entsprechende genetische Potenzial in sich trugen. Die Vorfahrin der Haus- & Wildkatze ist die afrikanische Wildkatze (Falbkatze) und obwohl die meisten anderen 36 Katzenarten durch Menschen gefährdet oder bedroht sind, haben sich Katzen (Felidae) & Katzenartige (Feliformia) über die ganze Welt verbreitet. In den Vereinigten Staaten gibt es beispielsweise 40 bis 70 Millionen Wildkatzen. Der Autor Stephan Budiansky sagte sinngemäß hierzu: »Katzen sind die am wenigsten gezähmten und zugleich erfolgreichsten Haustiere der Welt. Sie haben sich in menschlicher Gesellschaft schneller über die Welt verbreitet, als der Mensch es selbst je getan hat. Warum sollten sich so erfolgreiche Raubtiere mit dem Menschen verbünden, welche Vorteile hätte es für sie?«

Die meisten Katzenarten sind Einzeljäger und deshalb nicht auf eine Kooperation angewiesen – ein weiterer Baustein ihres Erfolgs. Katzen sind evolutionäre Spitzenkandidaten – was hat ihnen noch dazu verholfen? Die gleichen Eigenschaften, die sie dazu bringen, sich auf eine Art und Weise zu verhalten, die Ihnen vielleicht nicht gefällt – eine eigenständige Natur und territoriales Verhalten. Katzen verhalten sich aufgrund der Evolution genauso, wie es ihre sozialen und physischen Umgebung, in der ihre Vorfahren lebten erfordert.

Wer waren ihre Vorfahren und wie lebten diese? Je nach Katzenart unterschiedlich wobei einige von ihnen sozialer sind als andere. Im Gegensatz zu den sozialen Löwen ist der Vorfahre der Hauskatze, die erwähnte einzelgängerische afrikanische Wildkatze. Afrikanische Wildkatzen haben große Territorien und leben weit voneinander entfernt, sodass sie keine enge soziale Struktur benötigen. Ebenfalls reagieren sie nicht auf Beschwichtigungsverhalten wie es bei Hunden üblich ist. Im Gegensatz zu Hunden, die im Verbund jagen, jagen sowohl Wild- als auch Hauskatzen immer allein. Lediglich während der Paarungszeit und den ersten Monaten der Aufzucht interagieren sie harmonisch miteinander. Das bedeutet jedoch im Umkehrschluss nicht, dass Wildkatzen nicht in einem gewissen Rahmen sozialisiert werden können. 

Katzen können Freunde finden

Wie bereits in soziale Beziehungen, Vorgeschichten, Risikofaktoren & Bewertung erörtert und entgegen vieler Mythen hat sich bestätigt, dass Hauskatzen soziale Tiere sind. Sie sind gerne mit Artgenossen und Menschen zusammen und bevorzugen hierbei bestimmte Bezugspersonen. Katzen betreiben gemeinschaftliche Körperpflege, binden sich aneinander und Kätzinnen ziehen gegenseitig ihre Kinder auf. Ihre soziale Ader wird auch durch ihre verbale Verständigung deutlich – Hauskatzen benutzen doppelt so viele Laute wie Hunde. Selbst außer Sichtweite kommunizieren sie über Düfte und Kratzmarkierungen.

Hauskatzen bilden keine enge soziale Hierarchie wie Hunde. Während Hunde gerne in der Gruppe unterwegs sind, sind Katzen eher Stubenhocker, die lieber das bekannte Territorium bewachen und nicht verlassen. Es gibt zwar Katzen die das Autofahren lieben, was aber eher an ihrer Verbundenheit zum Fahrer liegt. Viele Katzen begrüßen an der Haustür ihren Halter. Katzen gehen also nicht nur soziale Bindungen ein, sondern nehmen gegenüber ihrer Bezugsperson sogar hundeähnliche Verhaltensweisen an. Es ist ein Mythos, dass sie Einzelgänger und unsoziale Wesen sind. Der Unterschied ist, das sie ohne krankhafte Trennungsangst – wie bei Menschen und Hunden – nicht gezwungen sind in der gleichen Weise sozial zu sein!

Die Selbstständigkeit der Katze ist mit einem stark ausgeprägten Territorialverhalten verbunden, das man bei anderen Tieren nicht findet und deutlich größer ist als bei Hunden. Diese Territorialität sorgt für ihre grandiose Überlebensfähigkeit, ihr Misstrauen, ihre Abneigung gegen Neuerungen, ihr zielstrebiges Verhalten, ihre Art der Harn- & Kratzmarkierung sowie ihrer Aggressivität gegenüber Neuankömmlingen. Ihre Territorialität kann zu zwanghaftem Verhalten und auch dazu führen, dass eine eingeschüchterte Katze die Katzentoilette meidet. Ein Großteil von Verhaltensproblemen liegt in der Missachtung ebendieser Instinkte und natürlichen Bedürfnisse. Viele Katzenhalter verwechseln die Psychologie ihrer Katze mit der von Hunden und versuchen vergeblich, das Verhalten ihrer Katze entsprechend anzupassen.

 

Für immer Wild – Unterschiede im Verhalten von Katze und Hund

Abgesehen davon, dass sie für gewöhnlich nicht in Gruppen leben, unterscheiden sie sich von anderen Arten dadurch, dass eine Domestizierung nur teilweise und erst in jüngster Zeit erfolgte. Bei anderen Tierarten liegt diese sehr viel weiter zurück: Hunde 15000 bis 33000 Jahre, Schafe und Ziegen 9000 Jahre, Rinder 7000 Jahre und Pferde 6000 Jahre. Archäologen haben zwar in Zypern eine 8 Monate alte Katze entdeckt, die bereits vor 9500 Jahren neben einem Menschen begraben wurde, dennoch tauchen Katzen in häuslicher Umgebung erst vor ca. 3600 Jahren in Ägypten auf. Dort dienten sie zunächst zur Nagetierbekämpfung, wurden später aus religiösen Gründen gehalten und waren selbst zu dieser Zeit nicht domestiziert. Übrigens auch einer der Gründe warum Hauskatzen in den offiziellen Teilen der Bibel im Gegensatz zu Pferden, Hunden, Schafen und Kamelen keine Rolle spielen.

Es scheint zwar möglich, dass man die Katze aus der Wildnis, aber man die Wildnis nicht aus der Katze holen kann. Bei allen anderen – domestizierten – Tieren wurden die wilden Anteile selektiv herausgezüchtet. Auch heute noch werden Katzen wegen körperlichen Merkmale gezüchtet und obwohl dieses seit Jahrzehnten vonstattengeht, gehören Hauskatzen und die afrikanischen Wildkatzen zur gleichen Art (Felis silvestris). Die zusätzliche Bezeichnung der Hauskatze (Felis silvestris catus) spielt nur nominell eine Rolle, denn die genetischen Unterschiede zwischen afrikanischen Wildkatzen, europäischen Wildkatzen und Hauskatzen sind nicht größer als der Unterschied zwischen Hauskatzen selbst! Genetische Studien haben bewiesen, dass sich Hauskatzen von ihren wilden Artgenossen fast ausschließlich durch ihre Haarfarbe, sowie bei einigen Rassen durch ein paar oberflächliche, zuchtbedingte Degenerationen unterscheiden. Hauskatzen werden zwar als domestizierte Tiere eingestuft, realistischer ist es jedoch sie als Symbionten zu bezeichnen. Dennoch »wohnt« auch der Falbkatze die Möglichkeit einer gewissen Sozialisierung inne – sonst gäbe es wohl unsere Hauskatzen nicht.

Im Gegensatz dazu ist die europäische Wildkatze so »unfreundlich«, dass selbst Katzenfanatiker zu Hundefreunden werden. Selbst in der Nähe von Kätzchen ist es mit den Worten eines Zoologen »unheimlich«. Eine Beobachterin äußerte, dass die vier Wochen alten Kitten durch Sie hindurchschauen würden als ob Sie nicht da wäre. Sie reagieren gleichgültig auf Spielanregung oder menschliche Interaktion. Mit Erreichen der Geschlechtsreife wird diese Art nach Äußerungen eines Zoologen »stolz« und »wagemutig«. Routinemäßig schüchtern sie große, wilde Hunde ein und bleiben selbst bei Handaufzucht wild und unnachgiebig. Von ihren europäischen »Schwestern« erst vor zwanzigtausend Jahren abgespalten, sind afrikanische Wildkatzen viel freundlicher und von Natur aus zähmbarer als die nordischen Katzen. Europäische Naturforscher in Afrika beschrieben bereits in den 1800er Jahren, wie leicht die indigenen Völker afrikanische Wildkätzchen fingen und sie mit in ihre Hütten und Gehege nahmen, wo sie aufwuchsen und gegen Ratten kämpften. Ein Europäer stellte 1968 aus dem heutigen Simbabwe fest, dass Wildkatzenkinder zwar zunächst schwer zu handhaben waren, aber bald anhänglich wurden.

Katzen machen keine halben Sachen, wenn sie ungeteilte Aufmerksamkeit wollen, werden sie diese einfordern. Menschen die sich mit afrikanischen Wildkatzen angefreundet haben berichten, dass sie zwar sehr anhänglich sind, aber noch weniger auf Bestrafungen reagieren als Hauskatzen. Wie bereits erwähnt, sind Katzen sehr territorial und es kann zu Problemen mit anderen Tieren im Haushalt kommen. Unsere Hauskatzen haben sich vor weniger als 4000 Jahren von diesen Wildkatzen abgespalten – ein Wimpernschlag in der Genetik, zwischen Löwe und Leopard liegen beispielsweise 1000000 Jahre. Das ist der Grund warum Hauskatzen immer noch so viel Wildnis in sich tragen. Katzenfans schätzen genau diese Aura von »Ehrfurcht« und »Stolz«.

Vergessen Sie das Alphatier-Modell

Tatsächlich kann psychologisch betrachtet der Unterschied zwischen Hunden und Katzen größer sein als der von Männern und Frauen. Viele Katzenhalter, die bereits Erfahrungen mit Hunden gemacht haben, hegen den unwiderstehlichen Drang das Hundeverhalten auf die Katze zu projizieren. Der Versuch das sog. Alphatier-Modell auf eine Katze anzuwenden wird katastrophal scheitern. Übrigens wird dieses Modell mittlerweile selbst von Hundeexperten abgelehnt, denn der Großteil der Forschungen wurde an Wölfen durchgeführt – zwischen Wölfen und Hunden liegen jedoch über 10000 Jahre der Domestikation und rund 4000 Generationen! Kurz gesagt: Das Alpha-Modell gilt definitiv nicht für Katzen, denn es hat keinerlei Relevanz für die Art und Weise, wie sie mit Ihnen oder Artgenossen umgehen.

Wie wir bereits durch vorhergehende Artikel wissen hängt alles vom geteilten Territorium und der hierarchischen Beziehung ab. Katzenkolonien können zwar einen Alphakater haben, dieser wird sich aber nicht wie ein Alphawolf verhalten und starre Hierarchien gibt es nicht. Das Sozialsystem einer Katze ist sehr viel flexibler, unterschwelliger und kann sich jederzeit abhängig von der Tageszeit und dem Ort ändern. Übrigens sind Katzen absolute Experten im »Timesharing« – später mehr dazu. Obwohl das Katzengehirn anatomisch dem des Hundes ähnelt und sie auf ähnliche Weise lernt, lassen sich viele der bei Hunden verwendeten Ansätze nicht auf Katzen übertragen.

 

Die Wildnis zähmen: der Sozialisierungsprozess

Da Katzen genetisch gesehen nicht zahm sind, besteht die einzige Möglichkeit darin sie durch Sozialisierung »freundlicher« zu machen. Dieser Prozess muss in einer fünfwöchigen Phase, im Alter von zwei bis sieben Wochen stattfinden. Eine entscheidende Rolle entfällt dabei auf die Mutter, aber auch Geschwister und Menschen sind von Bedeutung. Wie gut ein Kätzchen sozialisiert wurde »spielt« im weiteren Leben eine große Rolle im Umgang mit Katzen und Menschen. Wenn weder das Kätzchen, noch seine Mutter in diesem Zeitraum mit Menschen interagiert hat, kann sich die Mensch-Katzebeziehung später äußerst schwierig gestalten. Wildkatzenkinder können gegenüber Menschen sozialisiert werden, sofern ihre Mutter das zulässt. Umgekehrt kann auch ein Hauskätzchen zu unsozialem Verhalten zurückkehren, wenn ihre Menschen nicht um eine gute Beziehung bemüht sind. Kurz gesagt: Katzen sind immer nur einen Schritt davon entfernt wild zu sein.

Sozialisierungsversuche vor der zweiten Woche machen wenig oder keinen Unterschied und nach der siebten Wochen sind die Erfolgsaussichten bereits deutlich geringer. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass eine Katze, die während dieser Zeit nicht sozialisiert wurde, sich veschlossen gegenüber Menschen und Tieren im Haushalt verhält. Eine solche Katze ist bereits mit normalen sozialen Situationen überfordert und stark gestresst.

10000000 Katzenleben könnten jedes Jahr gerettet werden, wenn Menschen Kätzchen richtig sozialisieren würden.

Ein weiterer Faktor ist, dass Verbleiben der Kätzchen bei ihren Geschwistern und ihrer Mutter bis sie mindestens zwölf Wochen alt sind – die Standardregel mit 8 Wochen gilt als überholt und verfrüht! Wird den Kätzchen diese Zeit nicht gegeben, neigen Sie später vermehrt zu Verhaltensproblemen. Früh getrennte Kätzchen sind schnell erregt gar aggressiv, lassen sich nur langsam beruhigen und lernen kein angemessenes Spielverhalten.

Seriöse Züchter und Katzenvermittlungen tragen dafür Sorge, dass die Kätzchen einem breiten Spektrum von Menschen und evtl. anderen Arten ausgesetzt werden, damit sie, wenn sie in ihr neues Zuhause kommen, richtig sozialisiert sind. Der Umgang mit Menschen hat positive Auswirkungen auf die Entwicklung, wie z. B. das Alter, in dem die Kätzchen die Augen öffnen, von der Mutter entwöhnt und unabhängiger werden sowie den Erkundungsdrang. Für die Sozialisierung eines Kätzchens während der erwähnten Phase werden fünfzehn Minuten bis eine Stunde täglich empfohlen.

Kätzchen können sich sehr an ihre Sozialisierungspartner binden – dieses wird auf Fotos deutlich in denen diese mit anderen Tierarten kuscheln oder spielen. Übrigens ahmen Kätzchen auch Verhaltensweisen nach. Anekdoten: Ein Arzt berichtete von einem Kätzchen, das mit Hunden aufgezogen wurde und Hunde-typisch gelernt hat vor einem Baum sein Hinterbein zu heben. Eine Halterin erwähnte ein Kätzchen, das zusah wie ihre Halterin Toilettenpapier benutzte, um einen falsch platziertes Häufchen aufzuheben. Bei der nächsten Fehlplatzierung suchte das Kätzchen Toilettenpapier und legte es anschließend über das Häufchen. Ein weiteres Erlebnis schildert eine Katze, die einen Fuchs dabei beobachtet hat, wie er in einen Maulwurfshügel sprang und den Maulwurf fing – die Katze entwickelte daraufhin die gleiche Angewohnheit.

Eine unvollständige oder falsche Sozialisation lässt sich leider nicht vollständig rückgängig machen. Eine Studie belegt, dass fast 50 % der Katzen, die vor dem Alter von sieben Wochen keinen Umgang mit Menschen hatten, nicht eine Minute lang von ihren Bezugspersonen gehalten werden konnten – dennoch äußerten die Halter, dass sie mit ihren ungezähmten Haustieren immer noch zufrieden seien. Auch wenn diese Katzen nicht gerne ausgiebig berührt werden oder auf dem Schoß sitzen möchten, können sie ihren Haltern wertvolle und treue Partner sein. Sie geben ihnen dann auf andere Weise Aufmerksamkeit, Zuneigung und bauen eine sehr enge Bindung zu ihnen auf. Sie können verpasstes nicht ungeschehen machen, aber evtl. Ihre Katze so weit sozialisieren, das selbst ein Leben in einem Mehrkatzenhaushalt kein Problem darstellt. 

Territorialität, Konflikt und soziale Reife

Territorialität

Es ist wichtig das Territorialverhalten zu verstehen, denn in diesem liegt auch die Neigung zu unerwünschten Verhaltensweisen begründet. Das Sozialverhalten inkl. möglicher Probleme ist mit ihrer Toleranz für die gemeinsame Nutzung ihres Lebensbereichs verbunden – dieser überschneidet sich allerdings zu Hause und im Freien mit dem anderer Katzen. Kater bewegen sich hierbei auf einem Gebiet von ca. 1,53 km2 und Kätzinnen auf ca. 0,42 km2. Das Territorium das eine Katze verteidigt, ist normalerweise kleiner als ihr Lebensbereich und je näher eine Katze an das Kerngebiet einer anderen kommt, desto aggressiver wird es verteidigt.

Hauskatzen sind nicht nur zutraulicher und geselliger als Wildkatzen, sie sind auch eher bereit in sozialen Gruppen zu leben und sich ein Territorium zu teilen – besonders wenn sie in einer Gruppe aufgewachsen sind. Aber selbst verwilderte Kätzinnen, meist unter den wachsamen Augen einer dominanten Matriarchin, verteidigen sich gegenseitig. Die Kätzinnen ziehen andere Kätzchen auf und säugen sie – sogar beim Beute machen werden Gruppenmitglieder berücksichtigt. Kater hingegen schließen sich seltener einer Kolonie an oder beteiligen sich an der Aufzucht – eher versuchen sie die fremden Jungen zu fressen. Eine Matriarchin die entbindet, wird von einem anderen Weibchen bei der Geburt unterstützt, indem sie mit ihren Zähnen die Nabelschnüre sanft durchtrennt, die Plazenta auffrisst und den Analbereich der Kätzchen säubert. Selbst Wildkatzen rollen sich wie Hauskatzen zusammen, schlafen gemeinsam und pflegen sich gegenseitig auf rührende Art und Weise.

Eine bedrohte Wildkatze kann in einen anderen Bereich ausweichen, aber Hauskatzen sind gezwungen in den vier Wänden zu verweilen, müssen sich die Ressourcen teilen und mit einem kleinen Territorium zurechtkommen – im Zusammenhang mit allem, was wir bisher erfahren haben gleicht das, einem Schnellkochtopf. In einer Wohnung mit 5 Zimmern werden Kater versuchen 2 bis 2,5 Zimmer und Kätzinnen 1,5 bis 1,8 Zimmer zu beanspruchen. Verschärfend bestehen in westlich geprägten Ländern oft Mehrkatzenhaushalte und die Meisten von uns haben nicht das Glück in einer Fünf-Zimmer-Wohnung zu leben. Für Katzen sind aber Rang und Territorium untrennbar miteinander verbunden, sodass sie immer nach Möglichkeiten suchen, ihren Rang auszubauen um mehr Territorium zu erhalten und umgekehrt.

Anders als bei Hunden besteht die Dominanz-Hierarchie nur relativ, denn die sozialen Ränge hängen von Orten oder Umständen ab. Eine Katze kann am Morgen noch die Ranghöhere sein und ganz oben auf dem Kratzbaum sitzen, aber am Nachmittag kann bereits eine Andere den Ort beanspruchen. Möglich ist auch, dass sich eine Katze mit höherem Rang in den Schlafbereich einer Katze mit niedrigerem Rang zurückzieht. Zum Glück ist es oft nur eine Frage der Zeit, bis sich diese Dinge zwischen ihnen regeln. Ihre Hierarchie ist so eng mit dem Territorialverhalten verbunden, dass Verhaltensforscher hierfür einen Begriff haben: räumlich-zeitliche Hierarchie. Katzen, die sich gut vertragen teilen sich zu den gleichen Tageszeiten den Raum oder die Wege zu Ressourcen. Tiere, die ängstlich sind oder sich territorial bedroht fühlen, können aufgrund dessen ihr Verhalten ändern. Territoriale Katzen verbringen mehr Zeit in ihren eigenen Räumen oder nehmen Abstand zu den Artgenossen. Manchmal sieht man sogar diese territorialen Katzen zusammen auf Möbeln mit anderen Katzen liegen. Das Möbel bewirkt ein verstärktes Gefühl von Zufriedenheit und Sicherheit und die Katzen sehen es vermutlich als sichere Zone an.

Konflikte

Leider verläuft es in Mehrkatzenhaushalten nicht immer friedlich – zwischen Katzen kommen verschiedene Formen von Aggression vor. Aggression bedeutet Stress und Stress mündet u. a. im Harnmarkieren. Haushalte mit mehreren Katzen erhöhen stark die Wahrscheinlichkeit von störenden Verhaltensweisen. In Wohnungen mit einer Katze liegt die Wahrscheinlichkeit, dass diese bei Verhaltensproblemen in ein Tierheim abgeschoben wird bei 28 Prozent, kommt die »Zweitkatze« hinzu sind es bereits 70 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, dass in einem Ein-Katzen-Haushalt mit Harn markiert wird liegt bei 25 Prozent, bei zu vielen Katzen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit auf fast 100 Prozent. Bemerkbar machen kann sich dass durch Zischlaute oder Zänkereien. Das Katzen eine weniger starre Sozialhierarchie als Hunde haben, führt dazu, dass Konflikte noch eher auftreten, wenn sich Katzen mit gleichem Durchsetzungsvermögen einen Bereich teilen müssen – bei Katzen mit ähnlichem Rang kommt es häufig zu kämpfen.

Eine räumliche Trennung stellt aber aus mehreren Gründen keine Lösung dar. Einer davon ist, das sich die Katzen aufgrund ihrer hervorragenden Sensorik auch weit außerhalb des Sichtbereichs wahrnehmen. Im Gegenteil wird dass zu noch mehr Verhaltensproblemen führen. Zum Glück haben Hauskatzen eine geniale Lösung für das Problem des begrenzten Territoriums und Ressourcen entwickelt – ein Verhalten, dass bereits bei Studien nachgewiesen wurde. Das System »Timesharing« ist im Grunde eine Erfindung von Katzen, lange vor den Menschen hatten Katzen herausgefunden, wie man den gleichen Raum zu verschiedenen Zeiten teilen kann. Erprobung, Duftmarkierung inkl. Informationsvermittlung und ein fein nuanciertes Verhalten machen dies oft möglich.

Geschlechtsreife & soziale Reife

Viele Verhaltensprobleme beginnen, sobald Katzen die soziale Reife erreichen und ein eigenes Territorium einfordern. Aus diesen Gründen können sogar Katzen, die als Kätzchen sehr gut sozialisiert wurden, feindselig gegenüber ihren Artgenossen reagieren. Kätzchen werden zwar nicht territorial geboren, aber die Veränderungen im Alter zwischen zwei und vier Jahren treiben sie dazu an. Die Geschlechtsreife kann anders als die soziale Reife bereits im Alter von fünf Monaten erreicht sein. Ihr Überlebensinstinkt veranlasst sie sich auf den Schutz durch Gebietssicherung zu konzentrieren und Raum zu erlangen – an diesem Punkt können die Verhaltensprobleme in Ihrem Haushalt beginnen.

Katzen die bis dahin die besten Freunde waren, können sich plötzlich, anlässlich ihres zweiten Geburtstages »entfreunden«. In extremen Fällen können ehemalige Freunde zu erbitterten Feinden mutieren, die man nicht einmal mehr kurz alleine lassen kann, ohne danach Fellbüschel zu finden oder zum Tierarzt zu müssen. Wenn die Probleme ihrer Katzen im Alter von zwei bis vier Jahren begannen oder sich verschlimmerten, kennen Sie jetzt mindestens einen der möglichen natürlichen Gründe. Die Situation ist jedoch nicht hoffnungslos, denn sie können Ihren Katzen helfen einen »Nichtangriffspakt« auszuhandeln und besser miteinander auszukommen. Es ist besser aktiv zu werden und sich nicht auf das Glück zu verlassen, denn es könnten ansonsten noch viele Jahre mit unerwünschtem und sich gegenseitig verstärkendem Verhalten vor Ihnen liegen. Informationen hierzu werden in einem späteren Folgeartikel veröffentlicht.