Toxoplasmose: Pathophysiologie & Morphologie der Infektion

Zellbiologie | Ein Tachyzoit auf der Suche nach einer passenden Zelle

In der Medizin bezeichnet man die Möglichkeit krankhafte Veränderungen in einem Lebewesen vornehmen zu können als Pathogenität. In diesem Beispiel erfolgt die Modifikation durch sich schnell vervielfältigende Tachyzoiten.

Dabei sind Zellstrukturen mit bestimmten Funktionen (Organellen) innerhalb der Parasiten an der aktiven Invasion von Wirtszellen beteiligt. Seine internen Helfer (Mikroneme & Rhoptrien) können Sie im ersten Bild dieses Artikels erkennen.

Das Toxoplasma, genauer gesagt der Tachyzoit, muss zuerst kernhaltige Zellen finden. Seine anschließende Mission ist es in die Wirtzelle einzudringen, ohne sie zu zerstören. Bei der Wahl einer möglichen Wirtszelle ist er nicht besonders wählerisch.

  • Neuronen

  • Fresszellen (Makrophagen)

  • Bindegewebsbildungszellen (Fibroblasten)

  • Mikrogliazellen (Abwehrzellen des ZNS)

  • Endothelzellen (Zellen in der Innenwand von Blut- und Lymphgefäßen)

  • Muskelzellen

Das deutet darauf hin, dass die Rezeptoren der Tachyzoiten allgemein verbreitete Oberflächenkomponenten, wie sulfatierte Zuckergruppen von Glykoproteinen ausmachen können. 

Info: Als Sulfatierung wird der Vorgang bezeichnet, bei dem Sulfat an Biomoleküle gebunden wird. Das Wort Glykoproteine setzt sich aus zwei Worten zusammen. Glykose=Kohlenhydrate=Zucker & Protein=Eiweiß. Glykoproteine sind Makromoleküle, die aus einem Protein und einer oder mehrerer gebundenen Kohlehydratgruppen bestehen.

Tachyzoit enthüllt | Morphologie eines Parasiten

Endoplasmatisches Retikulum=strukturreiches Zellorganell mit einem Kanalsystem von Hohlräumen

Dichtes Granulat=bedient Auf- und Umbau der Vakuole. Eine Vakuole ist ein flüssigkeitsgefüllter Hohlraum.

Golgi-Apparat=am Zellstoffwechsel beteiligte Bläschen- oder Lamellenstruktur in der Zelle.

Apikoplast=Ist eine vielgliedrige Zellorganelle in parasitären Organismen. Vermutlich aus Grünalgen hervorgegangen.

Mikroneme=Am vorderen Ende gelegene & eiförmige Organelle, die wichtige Proteine für eine Anbindung an die Wirtszelle enthält.

Konoid=kegelförmige Struktur die dazu dient in die Zelle einzudringen. 

Rhoptrien=keulenförmige Zellorganellen

Mitochondrium=ein zumeist bohnenförmiges Organell, umgeben von einer Doppelmembran mit eigener Erbsubstanz.

Pathopsychologie | Wie es den Parasiten trotz Immunsystem gelingt in die Zellen einzudringen

Kurzversion

Die Infektion mit Toxoplasma ist ein aktiver Infektionsprozess. Es beginnt mit einer losen Annäherung der Parasiten an die Zellwand mithilfe von Oberflächenproteinen (sog. SAG-Familie).  Der Vorgang ist abgeschlossen, wenn der Tachyzoit in die Wirtzelle eingedrungen ist. Dort wird er sich seiner parasitophoren Vakuole einschließen und anschließend vermehren.

  • Stadium 1 | Kontakt zur Zelle

    Phase 1 - Andockphase mittels Oberflächenantigene [engl. Surface Antigens (SAGs)]

  • Stadium 2 | Verbindung mit der Zelle 

    Phase 2 - Gleiten über die Zelle mittels Mikroneme Proteine [engl. Microneme Proteins (MICs)]

    Phase 3 - Einnahme der MJ-Formation (engl. Moving-Junction). Entladen von Enzymen durch die keulenförmigen Rhoptrien (Sekretionsorganellen) mittels apikalen Membran Antigens, Rhoptrien Hals-Proteine & Rhoptrien Organellen-Proteine [engl. Rhoptry Organelle Proteins (ROPs)]

    Phase 4 - apikale Ausrichtung - Ausrichtung mit der Spitze senkrecht zur Zelle mittels apikalen Membranantigens [engl. Apical Membrane Antigen (AMA1)], Rhoptrien "Hals"-Proteine [engl. Rhoptry Neck Proteins (RONs) & Mikroneme Proteine

  • Stadium 3 | Eindringen in die Zelle

    Phase 5: Penetration und schließlich Eindringen in die Zelle mittels Rhoptrien "Hals" Proteine, apikalem Membran-Antigen, Myosin A Proteins (MyoA) & Mikroneme Proteine

  • Stadium 4 | Der Erreger befindet sich in der Zelle

    Phase 6 - Abstoßung von Rhomboid Proteasen (Enzyme) [engl. Rhomboid Proteases (ROMs)], Rhoptrien "Hals" Proteine & apikalem Membran-Antigen

    Phase 7 - der Parasit befindet sich nun in der Zelle. Es folgt, sofern es ihm möglich ist, z. B. bei starken Immundefiziten die weitere Verbreitung.

Vollversion

  • Stadium 1 | Kontakt zur Zelle aufbauen. 

    Der Parasit beginnt die Invasion mit dem Kontakt zur Wirtzellenoberfläche (Andockphase).

    Dabei ist nicht klar, inwiefern die Tachyzoiten-Hauptoberflächenproteine wie das SAG1-Protein daran beteiligt sind. Aufgrund einer heute noch nicht eindeutig bekannten Stimulanz, mutmaßlich ausgelöst durch Signale auf der Wirtszelloberfläche kann es dann zur Absonderung von Mikronemen-Protein-Komplexen kommen. Diese ermöglichen es den Parasiten sich an die Wirtzelle anzudocken.

  • Stadium 2 | Verbindung mit der Zelle eingehen.

    Im Anschluss an die Anlagerung werden aus den Mikronemen und dem Rhoptrien-„Hals“ Proteine abgesondert. Dank dieser Proteine ist es ihm möglich, sich mit dem am spitzen Pol gelegenen apikalen Komplex an die Zelloberfläche anzuheften.

    Die eigentliche Invasion erfolgt mithilfe einer gleitenden Bewegung. T. gondii`s Oberfläche ist bestückt mit einer großen Anzahl unterschiedlicher GPI-verankerter Eiweiße. Diese machen das Anhaften an der Wirtszelle möglich und tragen zur Fähigkeit eine Erkrankung hervorzurufen bei.

    GPI-Anker sind Eiweißkomplexe der Zellmembran. Diese verankern Glycoproteine an der Zelloberfläche (SAG1 & SAG2). Das Muster dieser Proteine ist abhängig vom Entwicklungsstand.

    Daher ist es denkbar, dass Toxoplasma gondii befähigt ist unterschiedliche Zelltypen und Wirtsspezies zu infizieren.

  • Stadium 3 | Eindringen in die Zelle - der Tachyzoit ... sein Name ist Programm.

    Unter Mitwirkung des Konoids wird die Membran der Wirtszelle eingestülpt. Zur gleichen Zeit bildet sich aus Rhoptrien- und Mikronemen-Proteinen um diese Stelle eine ringförmige Struktur, welche die Penetrationsstelle abriegelt, beim weiteren Eindringen des Parasiten auf seiner Oberfläche zum stumpfen Pol hin wandert und so eine mobile Verbindung herstellt (engl. moving junction). Zur gleichen Zeit werden Eiweiße aus der Rhoptrien-„Keule“ ausgeschieden. 

    Info: Alle bis hierher dargestellten Abschnitte benötigen jeweils nur 15 – 20 Sek. Die Versiegelung der Penetrationsstelle und die Abspaltung der parasitophoren Vakuole dauert mit 1–2 Minuten hingegen etwas länger.

    Im Anschluss richtet sich der Tachyzoit vertikal zur Wirtszellmembran auf und dringt mit dem apikalen Ende voran in die Wirtszelle ein. Die vorhandene Membran der Wirtzelle macht er sich zu eigen und streift sie sich über. In diesem Abschnitt sondern die Rhoptrien zahlreiche Eiweiße und Lipide ab, die teilweise in die Wirtszellmembran eingebaut werden. Diese wird durch Einbau von Rhoptrien-Proteinen angepasst und bildet nun die Membran der Vakuole.

    Diese drei Merkmale ermöglichen Toxoplasma gondii die schnelle Wirtszelleninvasion.

    1.) Membranerweiterung

    2.) Aktive Bewegung des Tachyzoiten

    3.) Transport der Komponenten dieser Kontaktzone 

    Info: Der eigentliche Antrieb dieses Vorgangs ist ein auf Aktin (Zytoskelettprotein) und Myosin (Motorprotein) basierendes System. Dieses ist über Adaptermoleküle mit dem vom Parasiten abgesonderten Mikronemeneiweißen verbunden. Alphaaktin ist struktureller Bestandteil von Muskelfasern. Beta- & Gammaaktin kommen hauptsächlich im Zytoplasma von Zellen vor. Myosin ist für die Vorgänge der Zellbewegung und Transportvorgänge innerhalb einer Zelle zuständig. Es kann seiner Aufgabe nur in Gegenwart von Aktin nachkommen.

  • Stadium 4 | Toxoplasma befindet sich in der Zelle.

    Toxoplasma ist jetzt in der Wirtszelle. Dort befindet er sich innerhalb einer Vakuole, die von einer Membran umgeben ist. Es kommt zur Absonderung der „Dense-granule“-Komponenten. Diese Bestandteile dienen dem Aufbau der Vakuole und der Umgestaltung der Membran.

    Dort vermehrt er sich. Nach mehreren Stunden ist die ganze Zelle mit Toxoplasmen gefüllt und platzt. Die entlassenen Tachyzoiten gehen jetzt ebenfalls auf die Suche nach weiteren Zellen die sie infizieren können. Bei schwer Immungeschwächten kann die Ausdehnung der Parasiten und damit die Gewebeverdrängung zu nekrotischen Läsionen führen.

    Die Verbreitung der durch Vermehrung entstandenen Tachyzoiten aus der Zelle ist ein aktiver Prozess, der durch Anstieg des intrazellulären Ca ++ (zweifach-positiv geladenes Calcium) ausgelöst wird. 

Toxoplasma gondii in der Zelle | Die Vermehrung wird gestartet

(1) Nach erfolgreicher Invasion bilden Tachyzoiten eine parasitophore Vakuole und leiten die Replikation ein.

(2) Während der Bildung von Tochterzellen wird eine Aktinmarkierung am inneren Membrankomplex (engl. IMC) der Tochterzellen und am hinteren Pol der Mutterzelle beobachtet.

(3) Sobald die Tochterzellen vollständig gebildet sind, lokalisiert sich das Aktinsignal stark am hinteren Ende der Parasiten und den Überresten der IMC der Mutterzellen, die recycelt werden. Das erste fadenförmige Netzwerk und ringartige Strukturen werden sichtbar.

(4-5) Die Replikation wird fortgesetzt und ein fadenförmiges Netzwerk wird zwischen den Tachyzoiten hergestellt. Der Aktinring lokalisiert sich weiterhin am Restkörper.

(6) Das Netzwerk von Fäden zwischen den Parasiten und dem Ring bricht vor dem Austritt kalziumabhängig ab. Das Netzwerk kollabiert und Aktinpunkte werden am hinteren Ende der Tachyzoiten fokussiert.

(7) Aus der Vakuole austretende Tachyzoiten hinterlassen im Restkörper eine Aktinansammlung.

Kräftemessen | Toxplasma vs. Immunsystem

Runde 1 - Es folgt der erste Verteidigungsschlag des Immunsystems gegen die Vakuole, in der sich der Parasit befindet. 

 

Leider hat die parasitophore Vakuole besondere Eigenschaften, die das Immunsystem abblocken & darüber hinaus für das Überleben der Parasiten innerhalb der Wirtszelle sorgen.

  • Die Vakuole fusioniert nicht mit Lysosomen. Lysosome sind Zellorganellen, deren Hauptaufgabe darin besteht, Bakterien & Reste von Zellbestandteilen zu beseitigen. Auf diese Weise gelingt es dem Tachyzoiten sich vor aggressiven Lysosomen (Eiweiß abbauende Enzyme, saurer pH-Wert) zu schützen. 

  • Die Membran der Vakuole ist nur durchlässig für Moleküle bis 1,9 kDa (Masseeinheit bei Makromolekülen). 

  • Innerhalb der Vakuole gibt es eine Vielzahl röhrenförmiger Strukturen, über deren Funktion bislang nichts bekannt ist. Im Falle von Gewebezysten entwickelt der Parasit durch Manipulation der Vakuolemembran seine eigene 2 μm Zystenwandung. 

Runde 2 - Die letzte Möglichkeit der körpereigenen Abwehr ... der programmierte Zelltod (Apoptose)

 

Ein wichtiger Abwehrmechanismus eines Organismus gegen unliebsame Eindringlinge ist die Einleitung des programmierten Zelltods. Dabei durchläuft die Zelle eine Reihe von geregelten Abbauschritten, die mit ihrem Tod endet.

Auch dagegen hat das Toxoplasma Mechanismen erschaffen, die diesen Vorgang verhindern. Diese gehen einher mit Signaltransduktionsvorgängen und der Funktion von Proteasen [Caspasen]. Proteasen sind Enzyme, die andere Enzyme, Polypeptide & Proteine abbauen können.

Dieser raffinierte Schachzug versetzt sie in die Lage, den Zelltod hinauszuschieben & ihr eigenes Leben zu verlängern.

Info: Signaltransduktion bezeichnet den Vorgang beim dem Informationen über die Zellmembran hinweg, ins Zellinnere geleitet werden. Dabei werden sog. second messenger gebildet. Diese können ankommende Signale umprogrammieren, verstärken & Weiterleitungen ermöglichen.

Lösbare Bestandteile der Rhoptrien (ROP16, ROP18) werden zeitgleich in das Zytoplasma der Wirtszelle eingeleitet und greifen damit in Signalwege ein, welche die Zellaktivierung durch Zytokine steuern. Zytokine sind kurzlebige Polypeptide, die für Wachstum & Funktion einer Zelle zuständig sind. So kann Toxoplasma, die Reaktion der infizierten Wirtszelle durch Umcodierung direkt beeinflussen. Damit werden Regulationsmechanismen innerhalb der Zelle verändert.

Info: Bei der Umcodierung wird ein kleiner Teil einer Zell-DNA (Gen) in ein Botenmolekül (mRNA) umgeschrieben. Das Ergebnis ist eine Deregulierung, der IN(ter)F(eron)-γ- (Zytokin bei Entzündungsprozessen beteiligt ist) und I(nter)L(eukin)-12-Expression (Zytokin der Immunabwehr). Dieses Vorgehen macht den Erreger noch virulenter und & trägt zur weiteren Entwicklung bei.

Lebenslange Duldung | Die Umwandlung vom Tachyzoiten zur Zyste

Die Umwandlung vom Tachyzoiten zum Bradyzoiten & die Bildung von Zysten im Gewebe, ist durch die Zytokine aktivierter T-Zellen (zumeist IFN-γ) bedingt. Als Auslöser für diese Konversion kommt Stickoxid (NO) in Betracht. Dieses wird als Regulationsmolekül von Wirtszellen hergestellt, wenn diese durch IFN-γ aktiviert werden. Dieses sog. Effektormolekül dient dazu, die Reaktionsgeschwindigkeit eines Enzyms herauf- oder herabzusetzen.

Des Weiteren wandelt sich der Tryptophan-und Eisenstoffwechsel infizierter Zellen nach IFN-γ-Aktivierung. Dadurch wird die Produktion dieser für die Parasiten notwendigen Bausteine verlangsamt. Die Stadienkonversion und die extrem langsame Vermehrung der Bradyzoiten scheint also eine Reaktion auf den geänderten Stoffwechselzustand der Wirtszelle zu sein.

Verringert sich die IFN-γ-Herstellung, wie z. B. bei AIDS-Patienten aufgrund einer reduzierten Menge von T-Helferzellen, kommt es wieder zur Bildung von Tachyzoiten und damit zur Reaktivierung der Infektion. Bei allen anderen Menschen verbleibt das Toxoplasma ohne oder mit geringen Symptomen als Dauerstadium in Zystenform im Körper.

Es endet in einer Pattsituation Immunabwehr gegen Toxoplasma gondii.