Epilepsie bei Katzen: Fehlbildungen des zentralen Nervensystems (ZNS)
Allgemeiner Teil
Definition
Fehlbildungen des zentralen Nervensystems (ZNS) können aus Entwicklungsstörungen entstehen, denen Defekte in der Einleitung physiologischer Vorgänge, Gewebewucherungen, Zellspezialisierung und Zellfortbewegung zugrunde liegen. Diese Ereignisse sind genetisch reguliert und voneinander abhängig. Zugrunde liegende Ursachen umfassen genetische und Umweltfaktoren, einschließlich einer Infektion in der Gebärmutter (häufig viral), Vergiftung, Sauerstoffmangel oder Trauma. Der Schwangerschaftszeitpunkt zum Zeitpunkt der Beeinträchtigung beeinflusst die Art und Schwere der daraus resultierenden Fehlbildung. Als häufigste Ursache für Anfälle, basierend auf einer Entwicklungsstörung, wird der sog. Wasserkopf (Hydrozephalus) beschrieben.
Klinische Anzeichen
Bei Katzen treten die klinischen Anzeichen einer Fehlbildung des ZNS oft bereits in einem jungen Alter in Erscheinung. Allerdings verursachen einige dieser Fehlbildungen bis zum Erwachsenenalter keine oder nur geringe neurologische Störungen.
Diagnostische Untersuchungen
Die Mehrheit der Fehlbildungen kann im MRT sichtbar gemacht werden. Andere Fehlbildungen können nur bei einer Hirngewebeuntersuchung diagnostiziert werden. Dazu gehören neuronale Migrationsstörungen (z. B. Bildung von Gewebe an falscher Stelle). Ein Großteil dieser Störungen ist bereits alleine in der Lage Anfälle zu verursachen.
Behandlung
Bei Fehlbildungen im ZNS beschränkt sich die Therapie auf eine Reduzierung der Symptome. Davon unbetroffen wird die antiepileptische Behandlung wie für andere Arten von strukturellen Gehirnerkrankungen durchgeführt.
Prognose
Die Prognose ist abhängig von der Art der Fehlbildung, der Schwere der neurologischen Funktionsstörung und der Reaktion auf die Therapie.
Wasserkopf (Hydrozephalus)
Entstehung, Entwicklung & Klassifikation
Ein Wasserkopf ist durch eine übermäßige Ansammlung von Liquor in der Schädelhöhle, mit nachfolgender Erweiterung von Blutgefäßen des Ventrikelsystems oder Spaltraums zwischen Spinnengewebshaut und Pia mater, gekennzeichnet. Der angeborene Wasserkopf wird bei Katzen häufig als erworbener Wasserkopf bezeichnet. Diese Form kann mit mehreren anderen Anomalien des zentralen Nervensystems zusammenhängen.
Klinische Anzeichen
Die Mehrheit der Katzen mit angeborenem Wasserkopf sind kleiner als ihre Wurfgeschwister und zeigen bereits in jungem Alter sichtbare Merkmale. Wenn die Zunahme des Schädelvolumens auftritt, bevor sich die Nähte der Schädeldecke geschlossen haben, wird die Schädelhöhle kuppelförmig auseinandergedrückt. Durch den mechanischen Druck auf die Augen, Fehlbildungen der Augenhöhlen, der okulomotorischen Kerne (Augenbewegung) oder anatomische Veränderungen des Mittelhirns kann es zum Schielen kommen.
Neurologische Defizite bei Katzen mit Wasserkopf
Denk-, Orientierungs-, Seh- und Bewegungsstörungen
Durch die Einflussnahme auf das Innenohr kommt es zu kreisenden Bewegungen/Krampfanfällen und dem typischen Kopf gegen Wände drücken - head pressing
In einer Studie mit Katzen und angeborenem Wasserkopf wurden bei 4 von 6 Katzen Anfälle registriert. Diese traten mit Ausnahme einer Katze gleichzeitig mit anderen Symptomen des Vorderhirns auf. Ebenso wurde in einigen Fällen während der Untersuchung des Augenhintergrundes eine Stauungspapille beobachtet. Bei der Stauungspapille handelt es sich um eine Flüssigkeitsansammlung an der Verbindung des Sehnervs in die Netzhaut. Der Wasserkopf kann zu einer gestörten Funktion des Hypothalamus führen. Diese Störung im Zwischenhirn vermindert das Trinkverhalten einhergehend mit erhöhten Konzentrationen der Serumnatriumwerte. Ursächlich ist möglicherweise ein durch Druck verursachter Gewebeschwund von hypothalamischen Osmorezeptoren (sprechen auf hypertone Lösungen an).
Der Krankheitsverlauf ist unterschiedlich und damit nur schwer vorhersehbar. Neurologische Defizite können im Laufe der Zeit fortschreiten, stabil bleiben oder sich selbst nach wenigen Jahren noch verbessern. Der erworbene Wasserkopf kann sich altersunabhängig als Folge von Erkrankungen wie z. B. Gehirn- & Hirnhautentzündung oder Tumoren entwickeln. Die nervlich bedingten Anomalien ähneln denen, die für den angeborenen Wasserkopf beschrieben wurden, und können die zugrunde liegende Ursache des Wasserkopfes widerspiegeln.
Diagnostische Untersuchungen
Die Diagnose basiert auf den klinischen Symptomen und der Bildgebung des Gehirns. Durch die Bildgebung gelingt es bestenfalls die Ventrikelgrößen und mögliche Ursachen des Wasserkopfes, zu bestimmen.
Röntgen: Zu den Anzeichen, die für einen Wasserkopf sprechen, gehören eine Wölbung des Schädeldachs inkl. einer Ausdünnung der äußeren Knochenstruktur sowie eine verminderte Ausprägung der Schädeldachwindungen, Schädelnähte und Knochenspalten.
Ultrasonografie: Findet Anwendung bei Katzen mit anhaltend offenen bregmatischen Fontanellen - als Bregma bezeichnet man einen anatomischen Punkt auf dem vorderen Schädeldach, an dem zwei wichtige Schädelnähte zusammentreffen - dieses Verfahren erlaubt den Nachweis einer lateralen Ventrikelvergrößerung. Bei einem fehlenden Septum pellucidum, das normalerweise die lateralen Ventrikel trennt, können deutliche Anzeichen sichtbar sein. Dazu gehören paarweise auftretende nicht reflektierende (echofreie) Regionen oder auch einzelne, reflexionsarme Strukturen. Die bestmögliche Auflösung liefert übrigens eine Hochfrequenzsonde (7-12 MHz). Der Hauptvorteil der Sonografie ist, dass sie in der Regel ohne Sedierung oder Vollnarkose durchgeführt werden kann.
CT und MRT: Ermöglichen eine genaue Beurteilung des gesamten Ventrikelsystems, des Spaltraumes zwischen Spinnengewebshaut und Pia mater und des Ausmaßes des Gewebeschwunds von grauer Hirnsubstanz. Zusätzlich können diese Verfahren helfen, die zugrunde liegenden Ursachen des Wasserkopfs zu bestimmen. Dabei kann es sich um eine Verengung des mit Liquor gefüllten Verbindungskanals zwischen dem dritten und vierten Hirnventrikel, einer Fremdmasse oder Gehirn- und Hirnhautentzündung handeln. Diese Art des Hydrozephalus geht oft mit einer Ventrikelerweiterung in Richtung Körpermitte, bei gleichbleibender Ventrikelgröße von der Körpermitte weg einher. Zum Nachweis von Gewebeveränderungen, insbesondere in der fossa caudalis (Vertiefung Richtung Steißbein), ist MRT besser geeignet als CT. Eine Flüssigkeitsansammlung im Gewebezwischenraum des Funktionsgewebes der weißen Substanz resultiert aus Liquor, der durch ein Ependym hindurch, aufgrund eines erhöhten Druckes hineinfließt. Dieser kann bei einigen betroffenen Katzen, auf T2W- und FLAIR-Bildern, als Hyperintensitätsrand rund um das Ventrikelsystem wahrgenommen werden.
Liquoranalyse: Diese Untersuchung ist hilfreich, wenn der Wasserkopf im Zusammenhang mit einer Gehirn- & Hirnhautentzündung auftritt. Wie bei anderen Erkrankungen, die zu einem erhöhten Schädelinnendruck führen können, sollte die Liquorentnahme nach einer MRT oder CT des Gehirns durchgeführt werden, um die mit dem Verfahren verbundenen Risiken zu minimieren.
Behandlung
Die Behandlung eines Wasserkopfes hängt von der Ursache der Erkrankung und dem Status der Katze ab. Leicht betroffene und klinisch stabile Katzen benötigen möglicherweise keine Behandlung. Dazu gehören Katzen mit einer Erweiterung der Liquorräume (kompensatorischer Wasserkopf). Schwer betroffene Katzen mit akut verstopften Gefäßen und erhöhtem Schädelinnendruck benötigen eine notfallmedizinische Behandlung, um die Flüssigkeitsansammlung im Gehirn und die Liquorproduktion zu verringern. Dieses kann eine Operation notwendig machen. Bei Katzen mit erworbenem Wasserkopf muss die zugrunde liegende Ursache immer medizinisch/chirurgisch behandelt werden. Das ist sowohl bei Gehirn- und/oder Hirnhautentzündung als auch bei Geschwulsten oder Tumoren der Fall, zumindest wenn diese den Liquorfluss behindern. Da die meisten Katzen mit angeborenem Wasserkopf einen durch verstopfte Gefäße bedingten Wasserkopf haben, beschränkt sich die medikamentöse Therapie hauptsächlich auf eine Linderung der Symptome.
Pharmakotherapie
Das Hauptziel der Behandlung ist die Verbesserung unter Einsatz weniger Medikamente. Acetazolamid senkt u. a. den Augen- & Hirndruck und kann allein oder in Kombination mit harntreibendem Furosemid verwendet werden. Dadurch werden Flüssigkeitsansammlungen ausgeschwemmt und die Liquorproduktion verringert. Im Allgemeinen wird mit einer oralen Verabreichung von Acetazolamid begonnen; Furosemid kann ebenfalls oral gegeben werden. Sobald die Dosis die gewünschte Wirkung entfaltet, wird die Menge reduziert. Acetazolamid sollte nur für kurze Zeit verwendet werden. Während dieser Therapie sind die Elektrolytwerte, der Säure-Basen-Haushalt und die Hydratation zu überwachen. Das Ziel der chirurgischen Behandlung ist es, das Fortschreiten der Krankheit zu stoppen und den neurologischen Status der Katze zu verbessern.
Chirurgischer Eingriff (OP)
Die chirurgische Behandlung wird meistens bei Katzen mit Angeborenem und durch verstopfte Gefäße verursachten Wasserkopf angewendet. In Einzelfällen auch bei Katzen mit erworbenem Wasserkopf, die schnell eine Liquordrainage benötigen, um den Schädelinnendruck zu verringern. Von einer Operation bei ganzkörperbeteiligter Infektion des Bauchraums, einer Hautinfektion in der Nähe des Kopfes oder vorhandenen chirurgischen Wundnähten im Bauchraum wird ausdrücklich abgeraten. Ebenso stellt es keine Option dar, wenn eine erfolgreiche Operation das Ergebnis nicht verändern würde. Das ist z. B. bei Katzen mit multiplen, schweren Gehirnfehlbildungen der Fall.
Die chirurgische Behandlung besteht in der Platzierung einer künstlich geschaffene Verbindung zwischen dem Ventrikelsystem des Gehirns und der Bauchhöhle (ventrikuloperitonealer Shunt) sowie einer Liquordrainagevorrichtung, die denselben vom seitlichen Ventrikel in die Bauchfellhöhle umleitet. Ein solches Shuntsystem besteht aus einem Ventrikelkatheter, einem Einweg-Druckventil und einem vom der Körpermitte entfernt gelegenen Katheter, der den Liquor zur Bauchfellhöhle transportiert. Hierfür sollten niedrige bis extrem niedrige Druckstufen verwendet werden. Die Shuntschläuche müssen möglicherweise ersetzt werden, wenn sich die Katze noch im Wachstum befindet.
Risiken einer OP
Die Hauptnachteile einer Operation sind neben den Kosten auch die möglichen Komplikationen.
Verschluss des Shunts/Katheters durch fibröses Gewebe
Gerinnselablagerungen
Infektion der Schicht zwischen dem Amnionepithel und dem Uterusgewebe oder der Epithelschicht, die das Ventrikelsystem des Gehirns und den Zentralkanal des Rückenmarks auskleidet.
knicken,brechen oder trennen von Katheterkomponenten
Über- oder Unterdrainage
aufbrechen benachbarter Wundränder
Hautverletzungen durch Shuntmaterial
Liquorfistelbildung
Schmerzen und Krampfanfälle
Evtl. eintretende Komplikationen können zumeist leicht medizinisch oder chirurgisch behandelt werden. Die Komplikationsrate nach einer chirurgisch geschaffenen Verbindung zwischen dem Ventrikelsystem des Gehirns und der Bauchhöhle (ventrikuloperitonealer Shunt) liegt zwischen 29 und 50 %. Die ventrikuloperitoneale Shuntimplantation kann zu einer kurz- bis langfristigen neurologischen Verbesserung führen. Die Blindheit löst sich jedoch nur selten auf und die Anfallsaktivität kann fortbestehen.
Prognose
Die Prognose hängt von der Ursache des Wasserkopfs, der Schwere der neurologischen Funktionsstörungen und der Reaktion auf die Behandlung ab. Selbst bei einer erfolgreichen chirurgischen Behandlung ist eher eine Verbesserung als eine vollständige Auflösung der neurologischen Störungen zu erwarten.