Katzenverhalten: Tipps, Tadel & fatale Bestrafungen
»Der Gedanke, dass sich Ihre Katze an Ihnen rächen will, ist genauso töricht wie der Gedanke, dass Ihre Katze wütend auf Sie ist, weil Sie sich weigern, ihr ein Smartphone zu kaufen.«
Fatale Tipps aus Foren, sozialen Medien und durch mündliche Weitergabe
Sprühen mit einer Wasserflasche – um eine Katze dazu zu bringen, etwas nicht zu tun (Vertrauensverlust, verstärktes Verhalten in Anwesenheit [Aufmerksamkeitssuche] oder in Abwesenheit > weil sie die Unannehmlichkeiten mit Ihnen in Verbindung bringt, Verletzungsgefahr wegen Schreck).
Nein rufen – um eine Katze dazu zu bringen, etwas nicht zu tun. Genauso effektiv ist es auch ein Eichhörnchen auszuschimpfen.
Nase in den Urin drücken – wenn die Katze neben die Toilette gemacht hat (z. B. bei Krankheit, Angst)
Alphatier-Modell (Dominanz & Unterwerfung) – eine Katze mit diesem für Wölfe entworfenen Modell zu dominieren kann nur scheitern.
Schlagen – falls sie (vermeintlich) gebissen hat (z. B. als Liebesbisse oder bei Schmerzen)
Treten – sofern sie das Bein des Halters angreift (z. B. als Spielaggression – ein vom Halter verursachtes Verhalten)
Auf die Nase schlagen/klopfen – sollte man sie auf dem Tisch erwischen (Folgen u. a. Vertrauensverlust, störende Verhaltensmuster)
Am Nacken packen – Katze bei unerwünschtem Verhalten beobachtet (bei Erwachsenen sind schwerste Verletzungen möglich)
Eine Frau berichtet voller Stolz, das sie eine Lösung für ihr Problem gefunden hat. Da ihr Kätzchen immer auf die Arbeitsplatte sprang, schnappte sie sich das Kleine und warf es quer durch den Raum gegen eine Wand. Wenn das Kätzchen nicht Opfer schwerer Verletzungen geworden ist, so ist zumindest das Vertrauensverhältnis endgültig vernichtet. Die misshandelte Katze wird schwere Verhaltensstörungen entwickeln – mit der Folge von noch mehr Gewalt, Aussetzung und Tötung.
Wenn Sie eine Katze schlagen, treten oder anschreien, kann sie Sie als potentiellen Angreifer sehen, was instinktiv die Kampf- oder Fluchtreaktion auslöst. Sie könnte anfangen, Sie anzugreifen, weil Sie jetzt mit etwas Negativem in Verbindung gebracht werden. Die Mehrzahl dieser und ähnlicher Praktiken sind Tiermisshandlung und/oder Tierquälerei.
Warum Bestrafungen & Tadel niemals zu erwünschtem Verhalten führen
Machen wir uns zunächst bewusst, was wir von einer Katze verlangen, wenn wir diese beispielsweise von der Arbeitsplatte scheuchen auf der sich interessante Lebensmittel befinden.
Wir erwarten, das die Katze in der Lage ist die Bestrafung mit den Lebensmitteln auf der Arbeitsplatte in Verbindung zu bringen – obwohl es ihrem natürlichen Verhalten entspricht und sich das Ereignis manchmal lange vorher ereignet hat.
Wir erwarten, das die Katze in der Lage ist unter Berücksichtigung der Gesamtumstände eine entsprechende Analyse durchzuführen.
Wir erwarten, das die Katze anschließend in der Lage ist, das vom Halter angestrebte Verhalten zu bestimmen.
Wir erwarten, das die Katze in der Lage ist diese Erkenntnisse in ihre zukünftigen Planungen einzubeziehen und umzusetzen.
Genau dazu, sind aber Katzen nicht in der Lage. Sinnvoller ist es solche Situationen gar nicht erst entstehen zu lassen, indem man beispielsweise keine Lebensmittel offen herumstehen lässt oder andere Bereiche attraktiver macht. Es gibt nicht einen vernünftigen Grund, um Katzen zu bestrafen, es wird nie den gewünschten dauerhaften Effekt haben, sondern in Vertrauensverlust, störenden Verhaltensmustern, Zwangs- oder Verhaltensstörungen münden.
Eine Spirale von fatalen Tipps, Vertrauensverlust, Isolation & Gewalt
Eine Züchterin von Ragdoll-Kätzchen riet der neuen Halterin ihrem Kätzchen auf die Nase oder wahlweise den Hintern zu schlagen, falls sie deren Hände beim Spielen angreifen würde – die Halterin tat wie ihr empfohlen. Als die Katze fünf Monate alt war, kam zu den spielerischen Angriffen auch noch Angst-Aggression hinzu. Die Pupillen waren stark erweitert, die Ohren angelegt und die Halterin konnte nicht einmal mehr in die Nähe der Katze kommen, ohne an den Extremitäten verletzt zu werden – der letzte Angriff erforderte sogar einen Krankenhausaufenthalt und die Tragödie nahm ihren Lauf. Um sich zu schützen, sperrte sie die Katze im Schlafzimmer ein. Durch die dauerhafte Isolation wurden jedoch die Angst-Aggressionen der Katze so extrem, das die Halterin Futter und Toilette nur noch durch den Türschlitz wechseln konnte. An dieser Stelle endet das Verhältnis zur Katze fast immer in Aussetzung, Tierheim oder Müllsack – in diesem Fall gab es ein anderes Ende. Beiden konnte dank einer 8-wöchigen Verhaltenstherapie geholfen werden und sie leben heute in friedlicher Koexistenz zusammen.
Haben Sie immer noch Zweifel daran, das Bestrafungen & Tadel kontraproduktiv sind?
Stellen Sie sich vor, dass Ihre Katze so domestiziert ist wie ein Eichhörnchen – wie wir aus Entwicklung, Genetik & Instinkte wissen liegt dieser Vorgang, der nur in geringem Maße erfolgte, geschichtlich gesehen nur einen Katzensprung entfernt. Ein Hörnchen wird folgern, dass Sie jemand sind, der mit Negativem in Verbindung steht und Sie entweder fortan meiden oder angreifen.
Allzweckwaffe Alphatier-Modell?
Sogar bei Hunden deuten neuere Forschungen darauf hin, dass Methoden wie das Alphatier-Modell nicht nur unwirksam sind, sondern sogar verstärkt Aggression hervorrufen können. Eine Katze hat, wie aus Soziale Beziehungen, Vorgeschichten, Risikofaktoren & Bewertung bekannt, einen komplett anderen sozialen Hintergrund. Bei ihr dominiert der Überlebensinstinkt ohne jegliche Berücksichtigung des Alphatier-Modells. Die Katze wird sie fortan einfach meiden, angreifen oder das Verhalten sogar verstärken, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. Selbst wenn Sie auf diese Art & Weise, ihre Katze vom erwähnten Tisch fernhalten, wird sie Sie fortan persönlich mit dieser Unannehmlichkeit in Verbindung bringen, aber niemals mit dem Tisch selbst.
Was wird im weiteren Verlauf geschehen? Weil sie die Unannehmlichkeit jetzt mit Ihnen in Verbindung bringt, wird sie einfach warten bis Sie nicht mehr in Sichtweite sind und dann auf den Tisch springen.
Harn markiert und fortgejagt – ein voller Erfolg?
Bestrafen oder tadeln sie Ihre Katze, nachdem sie markiert oder falscher Stelle uriniert hat?
Sie haben gerade die Angst ihr Territorium zu verlieren verstärkt und ihr beigebracht zu »sprühen«, wenn Sie nicht in der Nähe sind oder Sie haben sie sogar dazu gebracht, noch öfter zu »sprühen«, weil das eine der Möglichkeiten ist, wie Katzen ihre Angst dämpfen. Katzen sind sehr feinfühlige Wesen und ebenso benötigt man eine viel subtilere Herangehensweise.
Folgen: Vertrauensverlust, unerwünschte Verhaltensmuster & Verhaltensstörungen
Das Leben mit Tieren ist einfacher, wenn wir uns vorstellen, dass sie genauso sind wie wir. Von der Vorstellung, dass Katzen die gleiche Art von Liebe empfinden, glücklich sind wie wir, versuchen süß zu sein oder dass sie sich schämen, ist es nur ein kleiner Schritt, um ihnen konsequenterweise negative Absichten wie Boshaftigkeit, Rachsucht oder Sturheit zu unterstellen (Anthropomorphismus/ Vermenschlichung). Es ist bekannt, dass Katzen bestraft werden, wenn angenommen wird, dass ihr Verhalten gegen den Halter gerichtet ist oder wenn diese angeblich wissen, dass sie es etwas nicht tun dürfen. »Du weißt genau, dass Du nicht auf den Tisch darfst!«. »Du hast darauf gepinkelt, um Dich zu rächen!«. »Wenn Sie nicht aufhört zu kratzen, muss Sie weg!«. »Du pinkelst einfach daneben, obwohl Du das nicht darfst!«.
Es ist falsch zu glauben, dass Katzen den Zusammenhang zwischen unserem Missbrauch – denn das ist die Bestrafung – und ihrem Verhalten verstehen. Ebenso fehlgeleitet ist es rebellische oder boshafte Absichten zu projizieren, denn Katzen sind reinüberlebens-motiviert. Boshafte Absichten sind menschliche Emotionen oder Absichten höherer Ordnung – sie dienen nicht dem Überleben der Katze und haben dementsprechend keinerlei Mehrwert. Katzen verwenden Urin und Fäkalien niemals aus Rache.
Wenn Sie in die Augen Ihrer Katze schauen, sehen Sie dort ein Bewusstsein lodern, was sich Ihrer auf eine sinnvolle Weise bewusst ist. Ihre Lebensaufgabe besteht aber nicht darin, Ihre Gefühle auf sie zu projizieren oder sie zu verbiegen, sondern sie so zu akzeptieren wie sie ist und ihre Gefühle zu verstehen. Erasmus Darwin drückte es sinngemäß aus: »In die anthropomorphe Falle zu tappen, kann eine besonders schlechte Idee sein, wenn sie mit Bestrafung und Tadel einhergeht.«
Was funktioniert – von der Katzenmutter lernen
Entziehen Sie der Katze konsequent Ihre Aufmerksamkeit. Die meisten Katzen sehnen sich nach jeder Form von Aufmerksamkeit, selbst wenn es sich um negative Aufmerksamkeit handelt. Für Katzen die im Alltag keine Aufmerksamkeit bekommen kann ein lautes »Nein« eine Belohnung sein – was wiederum das unerwünschte Verhalten verstärkt. Anstatt mit Ihrer Katze zu schimpfen, wenn sie unerwünschtes Verhalten zeigt, verlassen sie umgehend den Raum. Diese Technik hat einen guten Grund. Katzenmütter lehren ihre Kätzchen, was sie nicht tun sollen, indem sie ihnen die Aufmerksamkeit entziehen. Zum »Entsetzen« der Katze wird diese lernen, dass der Halter, wenn sie solches Verhalten zeigt den Raum verlässt.
Von falschen & veralteten Vorstellungen
Es gibt viele Missverständnisse über Katzen und sie sind besonders unter denjenigen verbreitet, die ihre Katzen bei störendem Verhalten ins Tierheim abschieben, aussetzen oder töten. Diese Halter haben oft falsche und veraltete Vorstellungen.
Kätzinnen sollten einmal werfen bevor sie kastriert werden – in der Realität ist es »bestenfalls« starker Stress, verkürzt nachweislich das Leben insbesondere bei mehreren Würfen und hat mit unserer Vorstellung von Glück nichts gemein. Oft genug stehen am Ende diese Kätzchen als »Wegwerfware« in den Kleinanzeigen, landen in den überfüllten Tierheimen oder auf der Straße und vegetieren mit Infektionen, Krankheiten, Hunger und Tod dahin – wenn sich nicht gerade verjagt werden, weil sie einen Vogel fangen.
Katzen handeln aus Trotz und Rache – Katzen sind hierzu nicht in der Lage.
Die Katze ist aggressiv und hat mich beim Spielen in die Hand gebissen – es handelt sich um normales aber fehlinterpretiertes Verhalten. Hände haben beim »Spiel« nichts in Katzennähe zu suchen. Übrigens führt dieses falsch antrainierte Verhalten auch oft dazu, das diese Katzen später Extremitäten unter Decken oder auf Treppenstufen »attackieren«.
Viele Halter sind sich ebenfalls nicht bewusst, dass die Anzahl der Verhaltensprobleme mit der Anzahl der Katzen in einem Haushalt rapide ansteigt.
Das Problem steht vor der Katze
Im Grunde ist die Vorstellung, dass die Katzen selbst Verhaltensprobleme haben eigentlich eine falsche Umschreibung: In fast allen Fällen, in denen es um unerwünschtes Verhalten ohne medizinische Ursache geht, muss das Verhalten des Halters geändert werden und nicht das der Katze. Wir lieben Katzen gerade deshalb, weil sie geheimnisvoll und fast magisch sind. Ohne unsere menschliche Natur der Erkenntnisse, Ideen oder philosophische Gedanken – sie beobachten oder reagieren einfach, ohne Hintergedanken. Katzen reagieren zuverlässig auf das, was wir Liebe und Zuneigung nennen, denn sie gibt ihrem Körper angenehme Berührungen und positive Energie. Sie bedanken sich für unsere Großzügigkeit nicht mit menschlicher Dankbarkeit, sondern mit einer nachgewiesenen positiven Wirkung auf unsere Psyche und reagieren auf das, was wir tun, genauso, wie die Natur sie dazu konditioniert hat.
Die meiste Zeit bewundern wir doch gerade ihre natürliche Reaktionen: Wir geben ihnen Wärme und bekommen ein Schnurren zurück. Manchmal ist ihre Reaktion jedoch nicht so erfreulich, aber das liegt oft daran, dass wir uns auf eine Weise verhalten, die ihrer Natur zuwiderläuft oder sie zumindest irritiert. Es gibt viele Gründe, warum Katzen die Toilette nicht mehr benutzen, sofern man medizinische Ursachen ausschließen kann, wird das Verhalten fast immer durch den Halter verursacht.
Erstaunlich wie sich »wilde« Raubtiere in unseren Alltag integriert haben
Es ist die eine Sache, von »wilden« Raubtieren zu erwarten, dass sie sich in eine widernatürliche Plastikbox womöglich mit Dach quetschen und unter nachgemachten Sand mit Aftershave-Duft ihre Notdurft verrichten. Aber es ist etwas ganz anderes, von ihnen zu erwarten, dass sie eine verdreckte Toilette aufsuchen, in Gegenwart eines aktiven Kleinkinds zur notwendigen Ruhe kommen oder in der Nähe eines aggressiven Artgenossen ihre Notdurft verrichten. Wir mögen Katzen, die sanft mit uns spielen, aber wir werden gleichzeitig ärgerlich, wenn sie entsprechend unserer falschen Konditionierung zubeißen oder kratzen – bemerken Sie den Widerspruch? Katzen haben keinen Sinn für Ethik oder Moral und sie können nicht vorausplanen.
Ihre Katze reagiert entsprechend ihrer Natur, Gene, Konditionierung und Aufzucht. Die Reaktionen sind normal – niemals durchdacht, bösartig, falsch oder anderweitig schlecht.
Sie als Halter müssen nicht nur die Verantwortung für die Konditionierung gerne und konsequent übernehmen, sondern auch für die antrainierten Reaktionen.
Es gibt niemanden auf der Welt, der so viel Macht und Kontrolle hat die konditionierten Reaktionen Ihrer Katze zu verändern – und damit auch die Verantwortung. Die Lösung und der weitere Verlauf liegt bei Ihnen. Sie müssen alle vorgeschlagenen Ansätze umsetzen, aber Ihre Katze kann nur natürlich darauf reagieren. Die gute Nachricht ist, dass genau dieser Sachverhalt es berechenbar macht.
Auf den Punkt gebracht – aus diesen Gründen sind Bestrafungen kontraproduktiv
Sie wirken nicht wie beabsichtigt, denn sie werden das unerwünschte Verhalten nicht dauerhaft beenden.
Sie verstärken oft das unerwünschte Verhalten und es folgen zusätzliche Probleme und Störungen.
Sie werden der Verbindung zu Ihrer Katze schaden oder diese sogar endgültig zerstören.
Sie sind einfach unwürdig, gerade wir als »höhere« Lebewesen sollten nicht emotional, sondern vernunftbegabt handeln.