Tierquälerei: Historie (Antike bis heute)

Von ihren heiligen Ursprüngen im alten Ägypten aus hat sich die Hauskatze in jeden Winkel der bewohnten Welt ausgebreitet und den Hund als beliebtestes Haustier in Europa und Nordamerika abgelöst. Zusammen mit dem Hund gehört sie zu den wenigen sog. Haustieren, die nicht eingesperrt werden müssen, um ihre Verbindung zum Menschen aufrechtzuerhalten. Katzen tendieren jedoch im Gegenteil zu Hunden dazu sich eine gewisse Unabhängigkeit zu bewahren, umherzuwandern und sich sexuellen Streifzügen hinzugeben. Felis catus führt eine Art Doppelleben – sie vereint Haus- und Wildkatze ebenso wie Kultur und Natur. Ob sie positiv oder negativ wahrgenommen werden, hängt von der moralischen Perspektive des Einzelnen oder der Kultur ab. Vor allem schwarze Katzen nehmen in der Hexerei, als inkarnierte Dämonen oder verwandelte Hexen, einen wichtigen Platz ein. Aus letzterem Grund haben Bauern in ganz Europa schwarze Katzen geschlachtet, um die Hexen zu vernichten, denen sie vorwarfen, sie verhext zu haben. Lange Zeiten lasteten die Schatten der Dämonisierung auf Katzen, obwohl diese gleichzeitig für das ökologische Gleichgewicht der Agrarwirtschaft unerlässlich waren. 

 

Antike – Geburtsstunde von Aberglauben, Misshandlung & Verehrung

Der rechtliche Schutz vor Grausamkeiten geht mindestens auf das 18. Jh. v. Chr. zurück wie z. B. dem Codex Hammurabi (Babylon) und Atharva-Veda (Hinduismus). Die alten Ägypter bewunderten die scheinbaren Widersprüche zwischen Kontaktsuche, mütterlicher Hingabe und Scheu – dennoch züchteten sie unzählige Katzen, um diese anschließend zu opfern. Eine weitere Zwiespältigkeit war der Glaube, dass sich Form und Leuchtkraft eines Katzenauges mit dem Sonnenstand als auch mit den Mondphasen verändern. Horapollon, ein ägyptischer Philosoph (4./5. Jh. n. Chr.) und Plutarch (röm. Schriftsteller) merkten an, dass sich die Pupillen der Augen je nach Sonnenlauf und Tageszeit veränderten. 

Mittelalter – Allmachtsfantasien, Unterdrückung & Entmenschlichung

Die Verdrängung der heidnischen Götter in Kombination mit der Verbreitung des Christentums führte in ganz Europa zu einem Wandel. Ursprünglich meist als positives Symbol für weibliche Fruchtbarkeit, Sexualität und Mutterschaft betrachtet, wurden Katzen nun durch den Einfluss von Politik und Kirche zu böswilligen Dämonen, Agenten des Teufels und Gefährten von Hexen und Nekromanten. Um ihre Macht zu festigen, ging die mittelalterliche Kirche rücksichtslos gegen unorthodoxe Glaubensvorstellungen vor, versuchte heidnische Religionen zu unterdrücken und auszurotten. Zwischen dem 12. bis 14. Jh. wurden fast alle größeren Sekten wie die Templer, Waldenser und Katharer beschuldigt den Teufel in Form einer großen schwarzen Katze zu verehren. Zeitgenössische Berichte beschreiben Rituale wie Kinderopferung, Kannibalismus und Sexorgien gegenüber riesigen Katzen, die auf den Anus geküsst wurden – selbstredend gaben die Verdächtigen unter Folter ihre angeblichen Vergehen zu. Alanus de Insulis (Mönch & Scholastiker) versuchte bereits im 12. Jh. den Begriff Katharer aus dem altlateinischen Wort für cattus umzudeuten – die Katharer selbst leiteten den Namen von dem griechischen Wort Katharoi, die Reinen ab.

Der allgemeine Glaube war, dass Hexen in erster Linie ältere Frauen aus der Nachbarschaft waren, die man an Merkmalen wie dem bösen Blick, Damenbart oder behaarten Beinen erkennen konnte. Die Dominikaner spielten eine entscheidende Rolle bei der Festigung des Mythos von der satanischen Katze – im Gegensatz zu dem treuen Hund, der Ketzer wie z. B. im Malleus Maleficarum anbellt. Im Europa des 14. bis 15. Jh. wurden Tiere auch wegen Verbrechen angeklagt, vor Gericht gestellt, gefoltert und zum Tode verurteilt. Das Christentum bringt Katzen im Allgemeinen mit Hexerei in Verbindung, obwohl die Art der Verbindung je nach Landstrich unterschiedlich war. In Zentraleuropa tendierten die kirchlichen und weltlichen Obrigkeiten vom 15. bis 17. Jh. dazu, Hexerei als eine weitere Form der Ketzerei darzustellen.

Ammenmärchen waren in der Folklore des Mittelalters und frühen Neuzeit stark verbreitet und stellten eine weitere Verbindung zur teuflischen Rolle der Katze her – als Vertraute der Hexe. Vereinfacht gesagt handelte es sich um einen Kobold oder dämonischen Gefährten, den die Hexe als Gegenleistung für Schutz und Nahrung zur Ausführung ihrer bösen Pläne entsandte. Das natürliche Verhalten von Katzen hat dazu beigetragen, diese Verbindung zu verstärken. Kätzinnen, besonders in der Brunst, drängen auf Körperkontakt und genießen es gestreichelt zu werden – zugleich sind sie scheu und unberechenbar. Durch ihr sexuell freizügiges Verhalten ziehen diese die Aufmerksamkeit mehrerer Kater auf sich. Gleichzeitig drehen sich diese aber auch um und greifen ihre Partner nach der Kopulation an. Für die sexuell unterdrückten Kleriker des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Europas bedeuteten sie eine Mischung aus Schrecken und Abscheu. Dass Katzen die Annehmlichkeiten der menschlichen Behausungen nutzten und gleichzeitig die Freuden einer wilden Nacht, war eine willkommene Rechtfertigung zur Verurteilung und Verfolgung. Wie noch ersichtlich wird, ist es gerade die weibliche Selbstbestimmung, also die Abkehr vom Patriarchat, ein entscheidender Punkt.

Zusätzlich unternahmen die kirchlichen Autoritäten immense Anstrengungen, um eine klare Trennung zwischen Menschen und anderen Tieren herzustellen. Deutlich wird das auch in der bigotten Einstellung Hunden gegenüber. Straßenhunde und Mischlinge waren Symbole für die niederen Qualitäten des Menschen – Völlerei, Grobheit und Wollust. Die Tiere und Jagdgefährten des Adels hingegen repräsentierten Loyalität, Treue und Gehorsam. Während sich bei den Hunden westlicher Länder das letztgenannte Bild verbreiten konnte, blieb das Bild der Katze bis zu einem gewissen Grad getrübt. Europa war allerdings nicht die einzige Region, in der negative Verbindungen zwischen Katzen und Frauen hergestellt wurden. Unheilvolle Katzen waren ein ebenfalls ein Element der orientalischen Folklore und in Japan gab es volkstümliche Legenden von monströsen Vampir-Katzen, die die Gestalt von Frauen annahmen, um Männern das Blut auszusaugen. Die Japaner verwendeten das Wort Katze auch für Geishas – beide besäßen die Fähigkeit Männer mit ihren Reizen zu verzaubern. Dem Aberglauben zufolge war der Schwanz die Quelle der Kräfte – entsprechend schnitt man diesen ab. 

  • 1211 Gervase von Tilbury (Historiker, Rechtsgelehrter & Geograf)

  • Bezeugte aus eigener Erfahrung die Existenz von Frauen, die nachts als Katzen umherstreiften und sofern sie verwundet wurden, an der Stelle, an der die Katze verwundet wurde, an ihrem Körper die Wunden trugen, die der Katze zugefügt wurden – wenn dem Tier ein Glied abgehackt wurde, verloren die Frauen ein entsprechendes Körperteil.

  • 1233 Graf Ugolino dei Conti di Segni (Gregor IX Papst) – Bulle Vox in Rama

  • Schildert den Novizen und Herren die schreckliche Erscheinung … einer schwarzen Katze von der Größe eines durchschnittlichen Hundes, rückwärts mit aufgerichtetem Schwanz herabsteigend …, die von allen auf das Hinterteil geküsst und verehrt wurde. Zwei Generationen später wurden die Templer beschuldigt ebendies getan zu haben.

  • 13. Jh. Guillaume d' Auvergnes (Scholastiker & Theologe) – Darstellung von Luzifer 

  • ... seinen Adepten und Verehrern in der Form einer schwarzen Katze oder einer Kröte erscheinen mag und dann von ihnen geküsst wird … unter dem Schwanz der Katze ... oder auf den Hals der Kröte. 

  • 15. Jh. in Rom

  • Eine Katze soll mehrere Babys getötet haben, bis sie gefangen und gesegnet wurde. Diese entkam, hinterließ aber Blutspuren und wurde verfolgt. Schließlich entpuppte sie sich als alte Frau, die sich in eine Katze verwandelt hatte und ihr Leben dadurch verlängerte, indem sie Säuglingsblut trank. 

  • 1424 Bernardino degli Albizzeschi (San Bernadino da Siena Heiliger) – Nord- und Mittelitalien 

  • Verbreitete zwei römische Frauen entdeckt zu haben, die zahlreiche Kinder getötet hatten, indem sie eine Kräutersalbe benutzten, die sie als Katzen erscheinen ließ. Die Frauen wurden verbrannt.

  • 1424 Eleonora Giorgi (Finicella) 

  • Eine vorgebliche Gestaltwandler-Hexe, wurde in Rom verbrannt, weil sie angeblich in Form einer Katze versucht hatte das Kind eines Nachbarn zu töten – dem Glauben an die Gestaltwandler kommt noch eine bedeutende Rolle zu. Dem Kindesvater gelang es, die Katze zu vertreiben, wobei er sie mit einem Messer verletzte. Später wurde festgestellt, dass Giorgi eine Wunde an genau der gleichen Körperstelle hatte. 

Transfektion, Metamorphose & Geschrei – Katze als Verwandlungsform, Transportmittel & Gehilfe 

Die Assoziation der Hexe mit Katzen, Eulen und Wölfen beruhte teilweise auf dem Glauben, dass Hexen, wie Katzen, nachts besonders aktiv seien. Die Überzeugung, dass Hexen sich in Katzen verwandeln können, gab Anlass zu vielen Geschichten und Gerichtsverfahren wie z. B. wegen schädlicher Magie, die sich gegen Säuglinge und Kinder richtete. Aufgrund des Glaubens, verbrannten Menschen oft Schmetterlinge, Vögel oder Katzen in der Hoffnung, die Hexen danach an ihren Verbrennungen oder Narben zu erkennen. Die europäischen Hexen nahmen zwar hauptsächlich die Gestalt von Hasen, Katzen, Wölfen, Hunden, Mäusen, Bienen, Kröten, Fliegen und Vögeln an – konnten sich aber auch als Lichter, Nebel, Strohbündel, Wagenrad und kleine Wirbelstürme manifestieren. Es gab Region-spezifische Häufungen: Schmetterlinge oder Vögel in Bulgarien, Rumänien, Serbien oder Mazedonien; Gänse, Hunde oder Wölfe in Bulgarien; Katzen oder Hunde in Kroatien, Serbien, Ungarn und Rumänien; Wölfe, Pferde oder Hähne in Rumänien; Truthähne oder Hühner in Rumänien und Serbien. Diese können sich Nachts unsichtbar machen und umherfliegen um als bedrückender Nachtalb, übernatürliches Wesen, Werwolf, Fee oder Schicksalsfrau Menschen zu malträtieren.

Trotz des Volksglaubens an die Fähigkeit zur Transformation waren sich die Gegner der Dämonen nicht einig. Jean Bodin (Staatstheoretiker) und Joseph Glanvill (Schriftsteller, Philosoph & Geistlicher) akzeptierten die Metamorphose, während Heinrich Kramer (Theologe, Dominikaner & Inquisitor) und viele protestantische Nachfolger der St. Augustinus' Idee folgten, dass sie dämonische Illusionen seien.

  • 10 Jh. im Canon Episcopi

  • In der kirchl. Rechtsvorschrift wird geschildert: Frauen, die auf bestimmten Bestien reiten, legen unter der Führung der heidnischen Göttin Diana große Strecken zurück. 

Der Glaube an Nachtflüge, bei denen die Teilnehmer entweder auf Tieren reiten oder sich in Tiere verwandeln, wurde damals als abergläubisch verworfen – dennoch berichteten Zeugen davon, dass sich Hexen vor dem Flug zum Sabbat mit Salben einschmierten, um zu Katzen oder anderen Tieren zu werden. Jahrhundertelang wurde die Transfektion (Einbringung von Fremd-DNA) in das Hexenkonzept integriert. Hexen, die halluzinogene Drogen benutzten, glaubten sicherlich ebenfalls an den Flug und die Verwandlung. Es gibt jedoch kein allgemeines Muster für die Gefährten der Hexe. Lothringer Hexen werden, im Gegensatz zu elsässischen nie von Katzen transportiert. In Lothringen erschienen unter 375 Personen, die zwischen 1580 und 1630 als Hexen verurteilt wurden, 36 als Wölfe, 34 als Katzen und 16 als Hunde. Die meisten Dorfbewohner glaubten zwar an den Gestaltwandel, wegen der ablehnenden St. Augustinus Idee hielten sich die Anhänger der Dämonologie allerdings teilweise zurück. Trotz barocker Skizzen, wie die gestiefelte Katze, von Jean de La Fontaines (Schriftsteller) verbesserter sich der Status der Katze nur langsam.

In Texten des 15. Jahrhunderts wie dem Errores Gazariorum von Ponce Feugeyron (franziskanischer Inquisitor) oder Le Champion des Dames von Martin Le Francs (Autor & Kleriker) wurden Katzen zusätzliche Rollen zu geschrieben, indem sie bei dem Schadzauber (Maleficia) anwesend waren und für den Transport zu den Sabbaten sorgten. Jean Bodin erwähnt im 16. Jh., dass die katzenartigen Gefährten der Hexe die Zauberei mit satanischen Geräuschen und teuflischem Geheul begleiteten wie in einem mährischen Hexenfall von 1565.

Beschreibung eines Hexensabbat

Errores Gazariorum ca. 1450

Ein Traktat, das evtl. von einem Inquisitor auf der Grundlage von Geständnissen verfasst wurde, die er während seiner Verhöre von Häretikern (Abweichung von offizieller Glaubenslehre) in Savoyen gehört hatte.

Der Gegner erscheint manchmal in der Form einer schwarzen Katze, manchmal in der Form eines unvollkommenen Menschen oder in der Gestalt eines anderen Tieres: aber gewöhnlich in der Gestalt einer schwarzen Katze. Die Person, die zum Sabbat gebracht wurde, wird dann vom Teufel gefragt, ob sie ein ständiges Mitglied der Gesellschaft werden und dem geringsten Befehl desjenigen gehorchen will, der sie dorthin geholt hat, und er antwortet, dass er es will. Dabei verlangt der Teufel von ihm einen Treueeid ... Nachdem er versprochen hat, seinen Eid einzuhalten, betet der elende, betrogene Mann den Vorsitzenden der Versammlung an und huldigt ihm; und als Zeichen der Huldigung küsst er den Teufel (der in menschlicher oder, wie ich bereits sagte, in einer anderen Form erscheint) auf den Arsch oder Anus und gibt ihm nach seinem Tod als Tribut einen Teil seines Körpers. Dann beeilen sich alle Mitglieder dieser schädlichen Sekte, ihre Freude über die Ankunft des neuen Ketzers zum Ausdruck zu bringen, indem sie ihm die Dinge empfehlen, die ihnen gehören, insbesondere die toten Kinder, die gekocht und gebraten wurden. Wenn das verfluchte Abendessen beendet ist und jeder so viel getanzt hat, wie er will, ruft der Teufel (der zu dieser Zeit den Vorsitz führt): Misch dich unter die Leute, misch dich unter die Leute, und das Licht erlischt. Beim Klang seiner Stimme hat jede Person Geschlechtsverkehr mit einer anderen Person, Mann mit Frau, Mann mit Mann, und manchmal Vater mit Tochter, Sohn mit Mutter, Bruder mit Schwester, ohne die geringste Beachtung der natürlichen Ordnung … Das Licht ist wieder entfacht; wieder einmal essen und trinken sie, und wenn sie den Tisch verlassen, urinieren und entleeren sie sich in große Tontöpfe. Wenn man sie fragt, warum sie das tun, sagen sie, sie tun es unter Missachtung und Verachtung des Sakraments der Eucharistie.

Die Hexen bilden einen zusammenhängenden, unorthodoxen Körper, der der Anbetung Satans übergeben wird – damit dieser Sünden des Götzendienstes und des Glaubensabfalls begeht. Es sind sowohl Männer als auch Frauen anwesend. Die verschiedenen Wörter für Hexe wurden erst später größtenteils mit Frauen in Verbindung gebracht. Tatsächlich waren es im frühen alpinen Hexenwesen fast überall Männer. Erst im späten fünfzehnten Jahrhundert konzentrierten sich die Anschuldigungen, bedingt durch krankhaften Frauenhass (Misogynie), Angst vor Frauen (Gynophobie) und Verdacht sexueller Orgien auf weibliche Opfer.

  • 1448 im März 

  • Die Inquisition verhörte mehrere Personen verschiedener sozialer Schichten zu ihren Behauptungen, sie seien zu einem Sabbat gegangen, wo sie Satan trafen, einen Pakt mit ihm schlossen, sexuellen Orgien frönten und Kinderfleisch aßen.

  • 1477 Sommer bis 1484 Frühjahr

  • Sieben Männer und Frauen wurden unter Folter über ihre angebliche Zugehörigkeit zu einer teuflischen Sekte befragt, die Sabbate besucht, sich von Gott losgesagt, den Teufel in Gestalt einer schwarzen Katze angebetet und Kinderfleisch gegessen haben sollen.

Vom Mittelalter in die frühe Neuzeit – Tiermisshandlung & Frauenfeindlichkeit

Bei einer solchen Vielzahl scheinbar negativer Verbindungen ist es nicht verwunderlich, dass Katzen zum Ziel weitverbreiteter Verfolgung sowie wilde und domestizierte Tiere im 16. Jh. angekettet und zum Zeitvertreib von Menschen und Hunden angegriffen wurden. An Festtagen wurden zur Vertreibung des Teufels insbes. Schwarze Katzen, in einer Atmosphäre extremer Fröhlichkeit, gefangen und gefoltert:

  • Auf Freudenfeuer geworfen und Scheiterhaufen verbrannt

  • angezündet und durch die Straßen gejagt

  • aufgespießt und bei lebendigem Leib geröstet

  • in kochendes Wasser getaucht

  • zu Tode gepeitscht

  • Von Dächern hoher Gebäude geschleudert

Jeder, der insbesondere nachts einer streunenden Katze begegnete, fühlte sich aufgrund des vorherrschenden Aberglaubens verpflichtet diese zu töten oder zu verstümmeln. Dadurch, dass die mittelalterliche Kirche Katzen mit dem Teufel und Unglück in Verbindung brachte, hat sie den abergläubischen Massen Europas einen universellen Sündenbock geliefert – ein Opfer, das man für die Alltagsnöte verantwortlich machen und bestrafen kann.

Wie bereits angedeutet gibt es entscheidende Elemente, die bis heute zur Abneigung bzw. Hass auf Katzen beitragen und ihre Ursache in einem jahrhundertealten Aberglauben haben – Angst vor Frauen, Kontrollverlust sowie Frauenfeindlichkeit. Das Christentum wurde hauptsächlich von einer männlichen Priesterschaft mit extrem zwiegespaltenen Einstellungen gegenüber Frauen dominiert. Diese Hassliebe zur Weiblichkeit wurde auf der einen Seite durch die asexuelle und unbefleckte Heilige Jungfrau und auf der konträren Seite durch Eva, die Erbsünderin verkörpert. Die kirchlichen Gelehrten leiteten ihr negatives Frauenbild von Aristoteles ab. Frauen waren das schwächere und unvollkommene Geschlecht. Lüsterne Verführerinnen die ihre sexuellen Reize und unstillbaren fleischlichen Appetit nutzten, um Männer zu betören, zu verzaubern und schließlich zu unterdrücken. Die mittelalterlichen Kleriker nahmen entsprechend wohlwollend Aristoteles Einschätzung der weiblichen Katze auf: Ein eigentümliches lüsternes Geschöpf, das wahllos Sex von jedem verfügbaren Männchen erbittet. Hierdurch entstand eine prägende metaphorische Verbindung zwischen Katzen und weiblicher Sexualität und genau aus diesen Gründen waren insbesondere Frauen das Ziel. 

Frühe Neuzeit – alter Aberglaube & neue Hoffnung

Wie ihre häretischen Vorgängerinnen sollen Hexen zu Versammlungen oder Sabbaten geflogen sein – teilw. auf dem Rücken von Dämonen die als riesige Katzen verkleidet waren. Ebenso erschien der Teufel seinen Jüngern in Form einer monströsen Katze. Obwohl diese Ansichten in ganz Europa auftauchten, erreichten sie ihre ausgeprägtesten Formen während der englischen Hexenprozesse des 16. bis 17. Jh. Nach verschiedenen zeitgenössischen Berichten zu urteilen, war die Trennlinie zwischen der vertrauten Hauskatze und der verwandelten Hexe fließend.

Einige der Feindseligkeiten die während dieser Zeit aufkamen, hatten evtl. eine medizinische Grundlage. Es gibt in der Folklore viele Geschichten von Hexen, die sich in Form einer Katze in die Häuser der Menschen einschlichen um sie im Schlaf zu ersticken. In einem der frühesten Verweise auf allergisches Asthma behauptete Edward Topsell (engl. Naturforscher) 1607: Der Atem der Katzen begünstigt die Zerstörung der Lunge. Deshalb haben diejenigen, die ihre Katzen in ihren Betten behalten verdorbene Luft und verfallen in Atemnot. Er erwähnte ebenfalls in seiner Historie der Foure-Footed Beastes den Zusammenhang von Form und Leuchtkraft des Auges mit dem Sonnenstand und Mondphasen: Die Ägypter haben in den Augen einer Katze die Zunahme des Mondlichts beobachtet, denn mit dem Mond leuchten sie voller ... und der Kater variiert seine Augen auch mit der Sonne; denn wenn die Sonne aufgeht, ist die Pupille seines Auges lang ... und am Abend kann sie gar nicht gesehen werden ... Das Glitzern in den Augen, wenn man ihnen in der Nacht begegnet, ist wegen ihres flammenden Aspekts kaum zu ertragen. Der auffällige Augenglanz, den Katzenaugen nachts erzeugen, faszinierte viele Menschen. Die Mehrheit scheint sogar geglaubt zu haben, dass Katzen in der Lage sind, dieses Licht selbst zu erzeugen, indem sie das tagsüber gesammeltes Licht speichern.

Das erste westliche Gesetz gegen Tierquälerei war 1641 in der Massachusetts Bay Colony »Body of Liberties« enthalten – blieb jedoch nicht Teil der Kolonie-Gesetze bzw. des Staates Massachusetts. Wie bereits erwähnt wurde berichtet, dass Hexen parallele Verletzungen erlitten, wenn ihre Vertrauten verwundet wurden. Dadurch wird teilw. verständlich, dass die Zeugen der Anklage glaubten, dass der Vertraute die Hexe selbst war.

  • 1555 Meyns Cornelisdr van Purmerend (Dienstmagd) – Den Haag

  • Eine erste Gruppe von Prozessen fand statt, als vier Frauen hingerichtet wurden. Im Februar wurde Meyns verhaftet. Sie erzählte ihren Vernehmungsbeamten, dass ihr zwanzig Jahre zuvor zwei Katzen erschienen seien und diese sie Pfote in Pfote umtanzt hätten. Seitdem war sie von Gespenstern und Dämonen belästigt worden, die sie von der Treppe warfen und ihre Ersparnisse stahlen. Irgendwann war ihr der Teufel in Gestalt eines gutaussehenden jungen Mannes mit spanischem Samthut und silbernem Schwert erschienen, der sie bat, seine Geliebte zu werden und ihr Geld anbot. Als sie sich weigerte, griff er sie an und zerriss ihre Kleidung. Er verschwand, kehrte aber nach sieben Jahren zurück und zwang Meyns  ihn zu akzeptieren. Nachdem die Ratsherren beschlossen hatten, sie zu foltern, um herauszufinden, ob sie nicht nur die Geliebte des Teufels, sondern auch eine Hexe war, gestand sie schließlich ihre Hexerei. Zum Scheiterhaufen verurteilt fand einige Tage später Ihre Hinrichtung statt. Im selben Jahr wurden auch eine Mutter und ihre beiden Töchter verbrannt.

  • 1582 Ursley Kempe (Heilerin & Hebamme)

  • Ihr unehelicher Sohn sagte aus, dass seine Mutter folgende Vertraute besitze: Vier verschiedene Geister. Tyffin (kleine graue Katze), Tyttey (weißes Lamm), Pygine (schwarze Kröte) und Jacke (schwarze Katze). Sie habe ihnen Bier zu trinken und von einem weißen Kuchen gegeben. Nachts seien diese zu seiner Mutter gegangen, um Blut von verschiedenen Körperstellen zu saugen. Einheimische Frauen bezeugten, dass Kemp ihre Vertrauten benutzt habe um sie oder deren Kinder krankzumachen. Selbst in diesem frühen Prozess überwiegen bereits Katzen in der Rolle des Hexen-Vertrauten. Dies setzt sich während der Zeit der Hexenverfolgung in England fort und ist seither zum Bestandteil der modernen Halloween-Ikonografie geworden.

  • Anfang 17. Jh. – Pierre de Lancre (Jurist, Richter & Hexenjäger) 

  • Berichtete wie sich Hexen in Katzen verwandelten, um Babys aus ihren Betten zu entführen. 

  • 1607 Isobel Griersoune Frau des John Bull Arbeiter in Prestonpans

  • Sie wurde n Edinburgh verbrannt, weil sie in Form einer Katze in ein Haus eingedrungen war – eine häufige Behauptung in schottischen Prozessen.

  • 1608 Francesco Maria Guazzo (Priester) 

  • Meinte unter Berufung auf Nicolas Rémy (Oberrichter & Hexenverfolger): Remy schreibt, dass fast alle, die ihm wegen Hexerei in die Hände kamen, ihm erzählten, dass sie sich in Katzen verwandelten, wenn sie heimlich in fremde Häuser eindringen wollten, damit sie dort nachts ihr Gift verteilen konnten.

  • 1673 Anne Armstrong ein 14-jähriges Mädchen

  • Bezeugte in Northumberland, dass sie im Geiste von einer Hexe in ein Pferd verwandelt worden war, die ihr einen Zaum auf den Kopf setzte und sie zum Hexentreffen ritt, wo sie in der Gestalt von Hasen, Katzen, Mäusen und Bienen erschienen – eine Frau aus Cambridgeshire hatte 1659 eine ähnliche Anschuldigung erhoben, aber der Richter weigerte sich, ihr zu glauben.

  • 1705 in Siena Italien

  • Nachdem eine Hexe ein Baby im Bett angegriffen hatte, hatte es am Morgen, als es starb, den Anschein, als ob alle Katzen der Welt um das Haus herum schrien

  • 1712 Jane Wenham Witwe bekannt als Walkern-Hexe 

  • Mehrere Zeugen sagten nicht nur aus, von deren Katzen besucht und gequält worden zu sein, sondern auch, dass eine der Katzen das Gesicht von Jane hatte. Jane Wenham war eine der letzten Personen, die in England formell wegen Hexerei verurteilt wurden. Dank des Drucks einer zunehmend skeptischen Londoner Öffentlichkeit wurde das Urteil aufgehoben und Sie begnadigt.

  • 1730er Jahre in Paris 

  • Ende des Jahrzehntes fand ein Scheinprozess statt, der komplett mit Wache, einem Beichtvater und öffentlichen Henker durchgeführt wurde. Inszeniert von Arbeitern einer Druckerei befand man bereits halbtote Katzen für schuldig, das Haus ihres Chefs verhext zu haben – stopfte diese in Säcke und hängte sie auf. 

Katzenhasser & Hoffnungsträger

  • 1727 François-Augustin Paradis de Moncrif (Gelehrter, Autor & Mitglied der Académie française) 

  • Versuchte in seiner Histoire des chats (Geschichte der Katzen) mittelalterliche Vorurteile zu revidieren.

  • 1749 Georges Louis Leclerc (Naturforscher & Graf von Buffon) in Histoire Naturelle 

  • ... die Katze als ein perfides Tier, das eine angeborene Bosheit, einen falschen Charakter, eine perverse Natur besitzt, die das Alter verstärkt. Er bekräftigte lautstark die mittelalterlichen Vorstellungen über das unstillbare Verlangen der weiblichen Katze nach Sex. Sie lädt die Kater ein, fordert sie auf, verkündet ihre Wünsche mit durchdringenden Schreien oder besser gesagt, das Übermaß ihrer Bedürfnisse ... und wenn das Männchen vor ihr wegläuft, verfolgt und beißt diese ihn und zwingt ihn sie zu befriedigen.

  • 1767 Richard Dean (angl. Minister & Tierschützer)

  • Da Tiere sensibel sind, sind sie zu Schmerzen fähig, spüren jeden Schlag und jeden Schnitt und Stich, genauso wie er selbst (der Leser), einige von ihnen vielleicht mehr und deshalb darf er sie nicht wie Aktien, Steine oder Dinge behandeln, die nicht fühlen können.

  • 1776 Humphry Primatt (angl. Priester) 

  • Schmerz ist Schmerz, ob er nun dem Menschen oder dem Tier zugefügt wird; und das Geschöpf, das sie erleidet, ob Mensch oder Tier, leidet, weil es sich des Elends bewusst ist, solange es andauert.

  • 1780 Jeremy Bentham (Philosoph) 

    Es kann der Tag kommen, an dem die übrige tierische Schöpfung jene Rechte erwerben kann, die ihnen ohne die Hand der Tyrannei niemals hätten, vorenthalten werden können. Die Franzosen haben bereits herausgefunden, dass die Schwärze der Haut kein Grund dafür ist, einen Menschen der Willkür eines Peinigers schutzlos preiszugeben. Vielleicht wird man eines Tages erkennen, dass die Anzahl der Beine, die Schuppigkeit der Haut oder der Abschluss des Os sacrum Gründe sind, die ebenfalls nicht ausreichen, um ein empfindliches Wesen dem gleichen Schicksal zu überlassen. Was sonst sollte die unüberwindbare Linie nachzeichnen? Ist es die Fakultät der Vernunft oder vielleicht die Fakultät des Diskurses? Aber ein ausgewachsenes Pferd oder ein ausgewachsener Hund ist unvergleichlich ein rationaleres und verständnisvolleres Tier als ein Kleinkind, das einen Tag, eine Woche oder sogar einen Monat alt ist. Aber nehmen wir an, es wäre anders, was würde es bringen? Die Frage ist nicht: Können sie argumentieren? Noch: Können sie sprechen? Aber: Können sie leiden?

Moderne – Rückfall in extreme Tierquälerei & erste Tierschutzgesetze

Ausländer, die England im 18. Jh. besuchten, waren schockiert über Art und Ausmaß der Tiermisshandlungen die von allen Bevölkerungsschichten – vorzugsweise bis zum Tod des Tieres – ausgeübt wurden.

  • Viele Tiere wurden unterernährt und halb verdurstet über weite Strecken in die Städte getrieben und dann barbarisch abgeschlachtet.
  • Stiere durch Städte getrieben, bis diese erschöpft zusammenbrachen und von Hunden angegriffen oder von einer Brücke geworfen wurden.

  • Kälber hängte man lebendig an der Achillessehne auf und steckte ihnen Haken durch ihre Nasenlöcher, sodass diese qualvoll verbluteten.

  • Goose pulling (Gänsereiten), bei dem Reiter – nicht nur in Großbritannien – versuchten »sportlich«, die Köpfe von lebenden kopfüber aufgehängten Gänsen abzureißen.

  • Katzen wurden, auf ländlichen Jahrmärkten, bei lebendigem Leib gegessen
  • Hähne wurden an Pfähle gebunden und mit Stöcken beworfen und gesteinigt

  • Schuljungen bissen Spatzen lebendig die Köpfe ab, banden Katzen am Schwanz zusammen und knüppelten Schafe zu Tode

  • Schweine wurden zur »Verbesserung der Fleischqualität« zu Tode geprügelt.
  • Gänse ohne Augen wurden an Bretter genagelt und Zwangs-gefüttert.
  • Pferde und Hunde wurden als Arbeitstiere bis zur totalen Auszehrung eingesetzt und regelmäßig geschlagen.

Das Schicksal von Menschen der unteren Schichten konnte ähnlich brutal sein. Arme, Kriminelle, psychisch Kranke, Sklaven, Frauen und Kinder wurden in einer Weise behandelt, die heute als ungerecht und grausam gelten würde. Tiere waren ein weiterer Teil der Gesellschaft und erhielten entsprechend der vorherrschenden kulturellen Einstellungen Status und Berücksichtigung. Ein wichtiger Punkt der in den Texten bzgl. medizinischer Störungen noch eine tragende Rolle einnehmen wird.

Selbst noch in der zoologischen Literatur des 19. Jh. wurden Katzen lt. Harriet Ritvo (Historikerin) von allen Haustieren am häufigsten und energischsten verunglimpft. Während der Hund für seine Loyalität und seinen Gehorsam bewundert wurde, wurde die Katze wegen ihres scheinbaren Mangels an Ehrerbietung und ihres Versagens, die menschliche Alleinherrschaft anzuerkennen verachtet. Interessanterweise galten Katzen, wie schon Jh. zuvor, als unerwünschte Verbündete der Frauen. Im Paris des 19. Jh. und andernorts in Europa wurden Katzen aufgrund ihrer Unabhängigkeit und ihres Mangels an Gehorsam gegenüber gesellschaftlichen Sitten und Konventionen mit Handwerkern und Intellektuellen in Verbindung gebracht. Dieser bedeutende Wendepunkt in der Beziehung zu Katzen gilt zugleich als deren Übernahme in die bürgerliche Mittelschicht.

Erste Tierschutzgesetze

Im 18 bis 19 Jh. begann vor allem in Großbritannien eine zunehmend organisierte und kampagnenartige Bewegung, in denen sowohl säkulare als auch theologische Schriftsteller begannen, den Status quo infrage zu stellen. Verbesserungen bzgl. der Behandlung von Tieren, Frauen und Sklaven wurden angestrebt. Die Gesetzgebung zur Verringerung extremer Tierquälerei wurde im 19. Jh. unter anderem von Richard Martin, Lord Thomas Erskine und John Lawrence eingeführt. Großbritannien scheint sich zu diesem Zeitpunkt von der grausamsten Nation in Europa zum Anführer einer humanen Reaktion entwickelt zu haben. Das erste dauerhafte parlamentarische Tierschutzgesetz wurde 1822 in Großbritannien eingeführt – später nach seinem Förderer Richard Martin als »The Martin's Act« bezeichnet. Hiernach galt es als ein Verbrechen mutwillig und grausam folgende Tiere zu schlagen oder zu misshandeln: Pferd/Stute/Wallach, Maultier/Esel, Rind/Kalbin/Ochsen/Kuh und Schaf. Doch obwohl der Martin's Act den Rechtsschutz ausweitete, erfasste es nur grausame Handlungen gegenüber einem Tier, wenn diese nicht vom Besitzer begangen wurden. Der Schutz wurde weiter dadurch eingeschränkt, dass es nur Fälle berücksichtigte, in denen Tieren absichtlich und ungerechtfertigt Schaden zugefügt wurde. Ausschlaggebend war allerdings nicht der Schaden selbst, sondern der Kontext, in dem er begangen wurde und ob ein objektiver Zweck hinter der Handlung stand – der Zweck heiligte also absurderweise wie heute auch noch die Mittel.

In den nächsten Jahrzehnten folgten ähnliche Gesetze in anderen nordeuropäischen Ländern und nordamerikanischen Staaten wie z. B. das Anti-Grausamkeitsgesetz des Staates New York (1828 für Rinder, 1866 alle Tiere), das sächsische Strafrecht (1838) und das französische Loi Grammont (1850). Parallel zur Einführung der Gesetze und angestoßen durch öffentliche Debatten entstanden verschiedenen Vereinigungen zur Verhütung von Tierquälerei. Martin gründete 1822 eine Gesellschaft zur Verhütung von Tierquälerei und Strafverfolgungs- und Kampagnenorganisation, die später unter königlicher Schirmherrschaft 1824 zur britischen Royal Society for the Prevention of Cruelty to Animals (RSPCA) wurde. 

Eine Sorge vieler Menschen war, welche Auswirkungen Tierquälerei auf die Betroffenen haben könnte. Der Abgeordnete Sir Francis Burdett stimmte in einer parlamentarischen Debatte 1825 einem Gesetzentwurf gegen Tierkämpfe & Tierköder nur deshalb zu, weil er sich der schädlichen Wirkung bewusst war, die solches auf die Moral der Gesellschaft hat. Er erließ Gesetze nicht aus Tiermitleid, sondern aus Sorge um die Menschen. Dementsprechend war er bestrebt eine bigotte Einteilung vorzunehmen, die bis heute allerorts Bestand hat. Dass Unfreundlichkeit gegenüber Tieren nicht nur wegen der Auswirkungen auf die Tiere, sondern auch wegen der entmenschlichenden Wirkung und Desensibilisierung auf den Täter unerwünscht ist, verbleibt im zeitgenössischen Denken durch die Assoziation zwischen Tiermisshandlung und häuslicher Gewalt.

In der zweiten Hälfte des 19. Jh. gewannen Wissenschaft(ler) an Bedeutung. Die Vivisektion, also das Sezieren lebender Tiere im Tierversuch – meist bei vollem Bewusstsein – wurde in ganz Europa für wissenschaftliche Zwecke als auch als Unterhaltung von Physiologen und Ärzten durchgeführt. Obwohl viele diese Praxis abscheulich fanden, trugen insbesondere Frauen in Großbritannien zur Einschränkung bei. Frances Power Cobbe, eine Schriftstellerin und Sozialreformerin, wurde zu einer produktiven und hartnäckigen Gegnerin. Der RSPCA war zwar offiziell gegen viele der von Vivisektionisten angewandten Methoden, wurde aber als zu schwach und ineffektiv in der Bekämpfung angesehen. Unter dem Deckmantel der Wissenschaft sprachen sich einflussreiche Menschen nachdrücklich für die Vivisektion zur Förderung des Wissens aus und betonten ihr Potenzial menschliches Leid zu lindern. Cobbe organisierte Petitionen, die von prominenten Mitgliedern der Aristokratie, der Kirche und der herrschenden Klassen unterzeichnet wurden und gründete ihre eigene Gesellschaft (British Union for the Abolition of Vivisection).

Das Interesse von Königin Victoria und anderen Damen der Gesellschaft führte zu Zweifeln, ob die Sorge um das Tierwohl nicht zur Verweiblichung führe. Diese Denkweise hat dazu geführt, dass Kritiker Tierschutz als typisch weibliche oder sentimentale Schwäche anführen – früher wurde Frauen, die vom patriarchisch geprägten Lebensstil abwichen gerne Hysterie unterstellt. Königin Victoria machte ihre Opposition gegen die Vivisektion den Regierungsministern bekannt und überwies dem RSPCA eine Spende für deren Kampagne. 1876 wurde eine königliche Kommission zu diesem Thema eingerichtet. Seine Mitglieder waren zeitweise so entsetzt über die Beschreibungen der Wissenschaftler, dass sie davon überzeugt waren, dass eine Kontrolle unabdingbar sei.

  • Dr. Emanuel Edward Klein (Dozent am St. Bartholomäus-Krankenhaus)

  • Hunde werden vor einer OP mit breiten Bändern fixiert, die Gliedmaßen gestreckt und gesichert – wenn Unannehmlichkeiten wie das Schreien des Tieres stören, wird Chloroform verwendet – Kaninchen werden nie betäubt, da diese weder heulen noch kratzen. 

Die Kommission kam zu dem Schluss, dass die Verwendung von Tieren in der »legitimen« Forschung an sich nicht unmoralisch ist, dass aber Grenzen gesetzt und bestimmte Praktiken verboten werden sollten. Damals und teilw. auch heute waren Wissenschaftler bestrebt, die Wissenschaft von moralischen Erwägungen zu trennen. Nach einigen Fortschritten in der Behandlung von Tieren und ihrer rechtlichen Stellung im späten 19. und frühen 20. Jh. verhinderten die Auswirkungen des 1. und 2. Weltkriegs jeden weiteren bedeutenden Fortschritt. Bis in die 1920er Jahre hielt sich der jahrhundertealte Aberglaube, dass eine Katze nicht in Kinderbetten wegen der Erstickungsgefahr schlafen dürfe – eine jüngst in den USA durchgeführte Umfrage ergab, dass Atemwegsallergien einer der häufigsten Gründe sind, die Menschen dafür angeben, Hauskatzen (aber nicht Hunde) in Tierheime und Tierschutzvereine abzuschieben.

Tierschutz und »Nutztiere«

Ab den 1950er Jahren wurde die Tierschutzgesetzgebung nicht nur entwickelt, um mutwillige Grausamkeiten zu verbieten, sondern um die sog. Nutztierproduktion (Transport & Schlachtung) sowie Tierforschung zu regeln. In vielen Ländern gibt es spezielle Gesetze, die die Bedingungen für die Unterbringung, Handhabung und Haltung festlegen – allerdings ist die Durchsetzung nicht nur von Land zu Land, sondern teilw. selbst innerhalb der Grenzen unterschiedlich. Eine solche Gesetzgebung zielt auf das »Wohlergehen« der betroffenen Tiere ab: Schmerzlinderung (Analgesie), grundlegendes Maß an Komfort und Bewegungsfreiheit sowie das Verbot bestimmter Praktiken wie z. B. das Anbinden und Einsperren trächtiger Sauen in der EU. Erst in den 1960er und 1970er Jahren begannen Philosophen sich wieder ernsthaft mit Tieren und ihrem Status in der Gesellschaft zu beschäftigen. Einflussreiche Arbeiten wurden u. a. von Ruth Harrison Obe (Tierschutzaktivistin & Schriftstellerin), Peter Singer (Philosoph & Ethiker), Richard Ryder (Psychologe, Autor und Pionier der Tierbefreiungsbewegung), Tom Regan (Philosoph & Ethiker) und Bernard Rollin (Philosoph & Ethiker) veröffentlicht.

In Europa wird der gesetzliche Tierschutz zunehmend auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft (EG) geregelt. Die ersten transnationalen Regelungen waren folgende Konventionen des Europarates: internationaler Transport von Tieren (ETS 65 1968), landwirtschaftliche Nutztiere (ETS 87 1976), Schlachttiere (ETS 102 1979), Versuchstiere (ETS 123 1986) sowie Haustiere (ETS 125 1987). In den meisten Fällen erfolgte auf die jeweilige Konvention eine rechtsverbindliche europäische Richtlinie. Seitens der EG hat es Bemühungen gegeben, den Tierschutz in internationale Handelsabkommen einzubringen. Die Schäden die innerhalb der regulierten Praktiken in der Tierproduktion und -forschung ethisch vertretbar sind bleiben umstritten – in vielen Fällen legen Tierschutz- und Tierrechtsverbände Grausamkeiten oder Misshandlungen offen.

Während einige argumentierten, dass Tiere in der Wissenschaft verwendet werden sollten, weil sie anders seien als Menschen und daher außerhalb der moralischen Betrachtung stünden, argumentierte bereits Charles Darwin, wie sehr Tiere den Menschen ähneln. Die volle Tragweite seiner Schlussfolgerungen, über die enge Beziehung zwischen uns und anderen Tieren, wurde damals nicht in vollem Umfang gewürdigt und wird sie bis heute nicht. Die Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) hat das Wohlergehen der Tiere als Priorität eingestuft, wobei die Leitprinzipien im Terrestrial Animal Health Code 2004 festgelegt sind. Für Tiere während des Transports und der Schlachtung wurden Normen erarbeitet. Insgesamt spiegelt der Prozess der Ausweitung der Gesetzgebung eine gewisse Sorge um das Wohlergehen der Tiere wider – allerdings eine, die die Ausbeutung und Schlachtung von Tieren nicht infrage stellt. Eine anspruchsvollere Sichtweise der Gesetzgebung wurde in den letzten zwei Jahrzehnten zunehmend von Tierschützern, darunter Philosophen und Juristen verteidigt – Tiere haben Respekt und ein Recht auf Leben verdient und die Gesetzgebung sollte ihnen diese Rechte gewähren.

 

  • 1990 Robert Joseph White (amerik. Neurochirurg) bekannt als Dr. Frankenstein u. a. durch Kopftransplantationen an lebenden Rhesusaffen

  • ... dass die Nutzung von Tieren keine moralische oder ethische Frage ist und dass es ein Bärendienst für die medizinische Forschung und die Agrar- und Milchindustrie ist, das Problem der Tierrechte auf eine solche Ebene zu heben.

Katzen: Opfer extremster Gewaltformen

Die Einstellung zu Katzen bleibt bis heute zwiegespalten. In einer Umfrage über die zeitgenössische Einstellung von Amerikanern zu Tieren stellten Dr. Stephen R. Kellert (Prof. für Sozialökologie) und Joyce K. Berry (Autorin für Umweltschutz, Prorektorin) fest, dass 17,4 % eine gewisse Abneigung gegen Katzen und nur 2,6 % gegen Hunde haben. Aktuelle Statistiken aus den USA zeigen auf, dass Katzen immer noch die häufigsten Opfer extremer Tierquälerei sind:

  • verbrennen

  • schlagen

  • foltern

  • verstümmeln

  • ersticken

  • von hohen Dächern schleudern
  • ertränken

Zweckorientierte Ethik (Utilitarismus) – der Zweck heiligt die Mittel

Christentum und Judentum fördern eine Sichtweise, die den Menschen als grundlegend anders und besser darstellt – nämlich als Ebenbild Gottes, der sich von den übrigen Tierarten unterscheidet und eine einzigartige Seele besitzt. Dem Menschen wird in der Bibel die Herrschaft über die Tiere gegeben und dieser Freibrief wird nicht nur von Kirchenmitgliedern diskutiert. Der Islam betrachtet Tiere weitgehend als Wechselbeziehung, teilw. werden diese auch als heilig betrachtet. In der Mehrheit der islamischen Länder ist die Einstellung zu Hunden und Katzen mehr oder weniger umgekehrt. Hunde an sich sowie ihre Berührungen gelten als unrein. Katzen werden toleriert und teilw. bewundert. Gerade die konservative Auslegung religiöser Texte bildet die Grundlage für zweckorientierte Ethik und bahnt sich einen Weg in das Denken und die Einstellungen inkl. der Gesetzgebung. Ein großer Teil des Wertes von Tieren hängt mit ihrer relativen Bedeutung für den Menschen zusammen. Die Besorgnis über die Behandlung von Tieren steht daher im Zusammenhang mit den Auswirkungen auf die davon betroffenen Menschen.

Die Herangehensweise an ethische Probleme basiert bei vielen Menschen auf Zweckorientierter Ethik. Diese erfordert zwar, dass man in einer Weise handelt, die die besten Folgen für alle Betroffenen hat – letztlich haben Tiere aber aus wirtschaftlichen Interessen das Nachsehen. Diese kritikwürdige Sichtweise erfordert eine gewisse Einigkeit darüber, was die besten Folgen sind und ob das extreme Leid einer Gruppe durch Vorteile für eine andere Gruppe aufgewogen wird. Sie hängt auch von der Fähigkeit ab, die Folgen einer Handlung genau vorherzusagen, da das Ergebnis über ihre moralische Akzeptanz entscheidet. Solche Kosten-Nutzen-Analysen sind in der Regel die Grundlage für neue Gesetze und bilden einen integralen Bestandteil vieler Entscheidungsprozesse. Begründet wird die Ausbeutung von Tieren oft damit, dass die Interessen auf Gegenseitigkeit beruhen – welche das im Detail z. B. bei den sog. Nutztieren sein sollen ist mehr als fraglich.

Zweckorientierte Ethik ist bestenfalls ein Kompromiss zwischen nützlichen Ergebnissen, erfüllten Leben und der Befriedigung von Bedürfnissen. Ein Problem dieser Zweckorientierten Ethik bleibt das Schicksal einer Minderheit oder der Wehrlosen. Gesetzlich erlaubt ist das Ausüben von Gewalt einer stärkeren Mehrheit über eine wehrlose anscheinende Minderheit – also das gezielte Zufügen von Leid, damit die Mehrheit einen Nutzen daraus ziehen kann. Keine absurde Phrase rechtfertigt dieses Verhalten – weder heiligt der Zweck die Mittel, noch ist die Intelligenz ein Kriterium oder ein das-war-schon-immer-so. Wie sich im weiteren Verlauf herauskristallisieren wird bleibt dieses Vorgehen ethisch verwerflich und ist für die Spezies Mensch unwürdig.

Die bisherigen Gesetze bieten gem. der zweckorientierten Ethik mehr Schutz für Tiere, die für den Menschen finanziell oder emotional nützlich sind, als welche, die es scheinbar nicht sind – auch auf diesen Trugschluss wird in den folgenden Texten eingegangen. Tiere, die als Schädlinge angesehen werden, können auf eine Art und Weise getötet werden, die für andere Arten inakzeptabel wäre. In ähnlicher Weise wird der Schaden, der durch vorsätzliche Tiermisshandlung verursacht wird, nicht nur wegen des Leidens des Tieres als unerwünscht angesehen. Die Auswirkungen auf die Täter, ihre Familie und die Gesellschaft sind ebenfalls fatal – Tierquälerei gilt u. a. als Warnsignal für die Aufdeckung von häuslicher Gewalt. Es gibt viele Menschen die Tiere aus Langeweile töten – einige von Ihnen haben sogar sadistische Freude an deren Verletzung oder Vernichtung.

Anthropozentrische Motive, also die alleinige menschliche Perspektive zusehen und sich als ultimativen Mittelpunkt wahrzunehmen sind alltäglich. Viele Menschen sind sowohl aus moralischen als auch aus reinen Tierschutzgründen gegen die Tötung von Tieren zur Pelzgewinnung oder der Verwendung von Zirkustieren – trotz allem bleibt ein Großteil der Menschen im Umgang mit Tieren bigott, denn in einzelnen Sparten werden tagtäglich Ausnahmen gemacht und frei nach persönlichem Nutzen entschieden. Die Ungereimtheiten und Widersprüche – die absurde Art und Weise wie Menschen mit Tieren umgehen – fußen auf Aberglauben sowie wirtschaftlichen, politischen und kirchlichen Allmachtsphantasien.

 

Gegenpart: kategorischer Imperativ – Vernunft als Basis allen Handelns

Eine andere Ansicht ist, dass jedes Individuum einen innewohnenden Wert hat. Das richtige Handeln hängt nicht von einem möglichen egoistischen Verwendungszweck ab, sondern von einem angemessenen, respektvollen Umgang. Die Idee, dass Individuen, als Zweck an sich selbst existieren und nicht als Mittel zum Zweck eines anderen benutzt werden dürfen wurde von Immanuel Cant (1724-1804) vorgeschlagen. Die Vorstellung, dass negative Folgen nicht durch einen bestimmten Nutzen aufgewogen werden können, findet sich auch im Recht und in der Populärkultur. 

Nachbetrachtung 

Trotz aller Veränderungen hat sich der Status von Tieren als Eigentum in den meisten Ländern nicht verändert. Obwohl das Zufügen von Leid für sog. Haustiere im Allgemeinen verboten ist, hat ein Halter immer noch die Macht über Leben und Tod. Dieser Status hat Vor- und Nachteile und darüber hinaus Einfluss auf ethische Debatten. Der Primärvorteil besteht darin, dass ein Tierhalter identifiziert und gesetzlich verpflichtet werden kann, seine Tiere zu versorgen und dass er für Misshandlungen, die er diesen antut theoretisch zur Verantwortung gezogen werden kann. Nachteile entstehen, wenn Halter ihre Tiere auf eine Art und Weise halten, die andere moralisch verwerflich finden, indem sie z. B. zur Unterhaltung, Zucht oder Massentierhaltung missbraucht werden.

Für die meisten von Uns ist es selbstverständlich, dass Tiere zu Gefühlen und Emotionen fähig sind – spätestens hieraus erfolgt die Notwendigkeit sie gut zu behandeln. Philosophen haben viel Zeit damit verbracht, das Mensch-Tier Verhältnis aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. In ihren Beschreibungen geben Sie Empfehlungen wie wir mit Tieren umgehen sollten. Die ethisch-theoretischen Debatten über Art und Umfang wünschenswerter oder akzeptabler Einschränkungen menschlichen Verhaltens haben unterschiedliche und teilw. gegensätzliche Antworten gegeben. Das pragmatische Ergebnis ist, dass auf persönlicher, kultureller und gesetzgeberischer Ebene die Behandlung von Tieren von einer Mischung aus moralischem Anliegen, praktischer Anwendbarkeit und Eigeninteresse bestimmt wird.

Was am Ende bleibt? Eine erschreckende Erkenntnis!

Ansichten und Praktiken früherer Jahrhunderte muten uns bigotterweise brutal und suspekt an – obwohl sich die Tierquälerei nicht nur fortgesetzt, sondern eine neue Größenordnung erreicht hat. In Deutschland werden jeden Tag Millionen Tiere eingepfercht, misshandelt und getötet. Für den Endverbraucher wurden alleine 2019 763 000 000 Lebewesen geschlachtet – mehr als vormals in ganzen Zeitaltern. Hinzu kommen 52 000 000 Legehennen, 4 000 000 Milchkühe und Millionen anderer Tiere, die in Käfig-, Aquarium-, Terrarien- & Stallhaltung ihrer Existenz fristen oder als Kollateralschäden der Nahrungsmittelindustrie enden. Tausende Haustiere Opfer falscher Haltung, von Tierquälerei und Selbstdarstellern in den sozialen Medien. Jedes dieser Individuen hat(te) ein unwürdiges, oft stark verkürztes und leidvolles Leben. Trotz beachtenswerter Bemühungen Einzelner – in seiner Gesamtheit betrachtet, ist alles viel schlimmer geworden.

Tierschutzgesetze?! Nun, diese wurden gem. zweckorientierter Ethik in erster Linie für den Menschen geschaffen. Wie im zweiten Teil dieser Reihe »Tierrechte & Gesetze« deutlich wird, gibt es so viele Ausnahmen von den Regeln, das die Gesetze teilw. ad absurdum geführt werden.