Katzenverhalten: Definitionen & Klassifizierungen

 

Katzenhalter vergessen oft, dass es sich bei störendem Verhalten oft gar nicht um Verhaltensstörungen handelt, sondern um natürliche verstärkte Verhaltensmuster. 

Definitionen

Von der Schwierigkeit eindeutiger Definitionen

Ein störendes Verhalten wirkt sich auf die Mensch-Katze Beziehung aus und kann sich von der Problemlösung bis zur Tötung erstrecken – gleichfalls geht sie mit einem mangelnden Wohlbefinden der Katze einher. Trotz allem hat sich die Forschung bisher nur wenig mit der Entstehung, Verbreitung, Bekämpfung, den Ursachen, der Vorsorge und Behandlung solcher Verhaltensweisen beschäftigt. Ein Großteil entsprechender Literaturen basiert auf Einzelfällen, individuellen Fallberichten mit wenigen Katzen oder stammt aus meinungsbasierten Quellen. Obwohl Begriffe wie »Verhaltensproblem« und »unerwünschtes Verhalten« weit verbreitet sind, ist es schwierig, eine klare Definition oder eine einheitliche Vorstellung davon zu finden. Das wird bereits bei den Begriffen »Verhaltensproblem« und »störendes Verhaltensmuster« deutlich. Denn hierbei handelt es sich um ein Verhalten, das von den subjektiven Empfindungen des Halters abhängt. Während ein Halter zeitweiliges aggressives Verhalten in einem Mehrkatzenhaushalt durchaus akzeptabel findet, kann ein anderer dieses Verhalten bereits als unerträglich einstufen. Komplizierter wird es, wenn mehrere gemeinsame Halter das Verhalten unterschiedlich interpretieren – dasselbe Verhalten wird von einem als Aggression und vom anderen als Spiel wahrgenommen.

Der erste Aspekt bzgl. des Verständnisses besteht deshalb darin, zu überlegen, wie ein solches Verhalten klassifiziert werden kann und wie wichtig die Wahrnehmung des Halters bei solchen Definitionen ist. Ein weiterer Aspekt ist die Wahrnehmung der Katze selbst – gehört das Verhalten noch zum normalen Repertoire einer Katze? In den Fachliteraturen werden Verhaltensprobleme teilweise unterteilt in 1. normales oder adaptives und 2. abnormales oder maladaptives Verhalten. 1. Beinhaltet Fälle, in denen das Auftreten vermutlich mit dem in einer natürlichen Umgebung zu beobachtetem Verhalten übereinstimmt oder durch Anpassung aufgrund des sog. assoziativen Lernens in Erscheinung tritt. Da es schwierig für eine »domestizierte« Art wie die Katze ist zu definieren, was eine normale Umgebung ist, werden in der Praxis oft Vergleiche mit frei laufenden oder verwilderten Katzen angestellt. 2. Als abnormale Verhaltensweisen gelten im Allgemeinen solche, die eindeutig einen medizinischen Hintergrund haben oder bei denen das Verhalten nicht arttypisch ist.

Doch auch diesbezüglich wird es etwas komplexer, denn die Unterscheidung zwischen normalem und abnormalem Verhalten ist nicht so einfach wie es den Anschein hat. Einige Fälle gehören eindeutig in eine bestimmte Kategorie: Eine Katze, die als Reaktion auf einen erzwungenen Kontakt mit einem Artgenossen Urin versprüht, kann als normal eingestuft werden – auch wenn das für ihren Halter unerwünscht ist. Ebenso ist eine Reaktion die völlig unabhängig von Umweltreizen auftritt, beispielsweise aufgrund eines partiellen Anfallherdes innerhalb des limbischen Systems, eindeutig abnormal. Nun gibt es allerdings zahlreiche Fälle, die zwischen diesen beiden Extremen liegen. Viele Katzen zeigen ein artspezifisches Verhalten als Reaktion auf ein unangenehmes Ereignis. Während einige schon bei einer sehr niedrigen Schwelle reagieren, zeigen andere eine stärkere Reaktion als üblich und Dritte ein Verhalten, das sich je nach Kontext schneller verallgemeinert als man aufgrund eines Lerneffektes erwartet.

Für beide Bereiche – normales & abnormales Verhalten – kann es also viele Gründe geben:

 

  • medizinische Ursachen die die Reizschwelle & Reaktion beeinflussen

  • umweltbedingte Einflüsse die eine Erregung hervorrufen

  • genetische Faktoren wie Persönlichkeitsmerkmale

  • entwicklungsbedingte Ursachen die für eine erhöhte Reaktivität sorgen

  • epigenetische Veränderungen die durch chronischen Stress verursacht werden

  • eine ganze Reihe anderer Faktoren

In anderen Fällen kann es sich um ein Verhalten handeln, das zunächst abnormal erscheint, für das sich aber später eine Vorgeschichte findet. Es handelt sich also um eine vielschichtige Verflechtung von genetischen, entwicklungs- & umweltbedingten sowie inneren Faktoren, die die Bewertung so herausfordernd machen. Die Beteiligung mehrerer sich gegenseitig beeinflussender Faktoren bedeutet auch, dass diejenigen, die die Halter bei der Behandlung und der Unterstützung beraten, sowohl nachweisbare Kenntnisse als auch klinische Fähigkeiten haben sollten. Die sich überschneidenden Bereiche von Lernen und Krankheit bedeuten auch, dass Menschen ohne veterinärmedizinischen Hintergrund eng mit Tierärzten zusammenarbeiten sollten.

Beispiele aus Fachliteraturen

  • Verhaltensproblem

  • Handlung die jemandem inkl. der Katze Kummer bereitet. Wenn Sie selbst das Miauen ihrer Katze um drei Ihr morgens nicht aufweckt, stellt es kein Problem dar – anders sieht es aus, wenn ein neuer Bewohner hinzukommt der Schlafprobleme hat. Für die Katze ist es ohnehin ein Problem, wenn sie es stressbedingt macht. 

    oder

  • Störung die eine Veränderung der als normal angesehenen Verhaltensmuster verursacht. Es gibt jedoch ein sehr breites Spektrum an normalem Verhalten, das mit verschiedenen Charaktereigenschaften, Lernerfahrungen und Interaktionen zwischen anderen Haustieren und Menschen verbunden ist. Das macht jede Katze zu einem Individuum, mit einer eigenen Persönlichkeit, Gewohnheiten und Eigenheiten. Der Begriff »Verhaltensproblem« wird daher nur verwendet, wenn das Verhalten Unannehmlichkeiten, Ärger oder Sorgen für den Halter oder körperliche Symptome bei der Katze verursacht.

  • Verhaltensstörung

  • Grenzt sich von einem störendem Verhaltensmuster hauptsächlich durch die Häufigkeit und Stärke gleicher Verhaltensweisen sowie durch sein selbstschädigendes Verhalten ab – die Übergänge können hierbei fließend sein.

    oder

    • Verhaltensmuster die mindestens eine der folgenden Kriterien erfüllen: abnormales Verhaltensmuster unter natürlichen/Natur-ähnlichen Bedingungen, abnormale Verhaltensantwort auf normale innere/äußere Reize, Verhaltensantwort auf abnormale innere/äußere Reize.

  • Zwangsstörung 

  • Wiederholendes (repetitiv), relativ gleichbleibendes und übertriebenes Verhaltensmuster – das oft von normalen Verhaltensweisen abgeleitet, aber aus dem Zusammenhang gerissen und ohne offensichtliche Funktion ist – unter Ausschluss anderer normaler Verhaltensweisen oder zum Nachteil der Katze. Verhaltensweisen wie psychogene Dermatitis/Alopezie, langanhaltende Lautgebung, zwanghaftes Umherwandern und Wolle kauen gehören hierzu, wenn sie idiopathisch sind.

    oder

  • Wiederholtes oder anhaltendes Verhalten, das sich Situationsbedingt nicht wesentlich verändert und nicht zum normalen arttypischen Verhalten im gegebenen Kontext gehört. In der veterinärmedizinischen Literatur werden die Begriffe zwanghaftes Verhalten/Störung oft gleichbedeutend mit dem Begriff Stereotypie verwendet – obwohl diese in der menschlichen Literatur unterschieden werden. Ein zwanghaftes Verhalten ist hoch motiviert ein bestimmtes Ziel zu erreichen und obwohl es ritualisiert und starr in seiner Ausführung werden kann, bleibt das Verhalten stets zielorientiert. Der Begriff Stereotypie bezieht sich hingegen auf motorische Handlungen, die unkontrolliert ausgelöst werden und kein offensichtliches Ziel haben. Mittlerweile wird die Bedeutung dieser Unterscheidung, aufgrund ihres prognostischen und therapeutischen Nutzens auch in der Tiermedizin vermehrt anerkannt.

  • Zwangs- & repetitive Verhaltensstörung  

  • Zwanghaftes und wiederholtes Verhalten ist eine Abfolge von Bewegungen, das von normalen Verhalten abgeleitet ist und außerhalb des Kontexts in einer wiederholten, übertriebenen, rituellen und anhaltenden Weise ausgeführt werden. Zu den häufigsten zwanghaften und sich wiederholenden Verhaltensweisen gehören Drehungen, Schwanzjagen, Selbstverstümmelung, Halluzinationen »Fliegenbeißen«, Kreisen, hin- und herlaufen, Pica, Lautgebung sowie Jagen von Licht/Schatten. Sie lassen sich in die Kategorien Übersprungshandlung, zwanghaft, stereotyp und aufmerksamkeitssuchend einteilen.

    oder

    Verhaltensweisen wie Pica, kauen/saugen von Wolle und Stoff, wiederholte Lautgebung, Schwanzjagen oder andere zwanghafte sich wiederholende Verhaltensweisen, die kein Ziel zu haben scheinen. Es könnte ein identifizierbarer Auslöser vorhanden sein, der dem Verhalten vorausgeht und das Verhalten selbst kann, muss aber nicht leicht zu unterbrechen sein.

  • Zwanghaftes Verhalten

  • Entsteht aus einer inneren Motivation heraus, ist starr und unabhängig von der Umwelt und kann weniger wahrscheinlich unterbrochen werden – es gibt rassespezifische Häufungen. Um als zwanghaft zu gelten, muss das betreffende Verhaltensmuster entweder so ausgeprägt sein, dass es über das hinausgeht, was zur Erreichung des scheinbaren Ziels erforderlich ist oder aber normale Aktivitäten beeinträchtigen. Zwanghaftes Verhalten kann sich selbst, vermutlich durch die Freisetzung endogener Opioide im ZNS, verstärken. Bei einigen Katzen ist es möglich, das sie dadurch besser in der Lage sind mit nicht artgerechten Bedingungen zurechtzukommen. Dieses Verhalten kann in fünf Gruppen eingeteilt werden, die einzeln oder in Kombination auftreten. Es ist wahrscheinlich, dass diesen Verhaltensweisen keine homogenen Bedingungen zugrunde liegen. 

    oder

    Verhaltensweisen, die normalerweise durch einen Konflikt hervorgerufen, aber anschließend außerhalb des ursprünglichen Kontextes gezeigt werden. Die Verhaltensweisen könnten eine ähnliche Pathophysiologie aufweisen (Veränderungen im Serotonin-, Dopamin- und Beta-Endorphin-System). 

  • Fortbewegung: Drehen, Schwanzfangen, auf- und ablaufen, Einstellen jeglicher Bewegung »Einfrieren«, auf- und abspringen, Hautkräuseln/Rückenzucken.

  • Orale Verhaltensweisen: Nasenlecken, Flanken- & Wollsaugen, krankhaft gesteigerter Appetit (Fresssucht), Durst oder putzen (psychogene Leckalopezie), Pica, Kauen und Lecken von Objekten.

  • Lautgebung: wiederholtes Wimmern oder Miauen

  • Halluzination: Schatten- und/oder Lichtjagen, Erschrecken, Ausweichen, Fliegenschnappen, Luftlecken.

  • Aggression: selbstgesteuerte Aggression (z. B. Schwanzbeißen), Verhalten das auf leblose Objekte gerichtet ist.

  • Übersprungshandlung

  • Wird als Reaktion auf Stress oder Konflikt-auslösende Reize gezeigt (z. B. Angst & Frustration). Externe Auslöser, die Stress verursachen sind oft die Ursache. Wenn der Auslöser nicht behoben wird und das Verhalten unbeachtet bleibt, kann es sich zu einem zwanghaften Verhalten verfestigen. Sofern jedoch die zugrunde liegenden Faktoren gelöst werden, kann das Verhalten deutlich reduziert werden. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass es bei erneutem Stress wieder auftritt.

  • Stereotypisches Verhalten, Stereotype (in manchen Literaturen gleichgesetzt mit repetitivem und zwanghaftem Verhalten)

  • Zeigt sich, wenn die Katze nicht in der Lage ist, ihr arttypisches Verhalten auszuleben – meist als Reaktion auf eine reduzierte Umgebung. Stereotypisches Verhalten tritt eher bei Katzen auf die sich in Isolation bzw. Einschluss befinden.

    oder

    Wiederholte oder anhaltende, offensichtlich abnorme Verhaltensweise, die aus dem Zusammenhang gerissen ist und insbes. bei Labor-, Nutz- und Zootieren beobachtet wird, sofern diese unter bestimmten Isolations- und Haltungspraktiken gehalten werden. Bei Haustieren wurden wiederholende Verhaltensmuster, die nicht durch eine erkennbare medizinische Störung oder Läsion verursacht wurden, in der Vergangenheit fokalen Anfällen zugeschrieben. Die Behandlung mit entsprechenden Medikamenten war aber meistens nicht erfolgreich und die Patienten wurden häufig getötet.

    Wiederholtes Verhalten kann unterschiedliche Ursachen haben, die meisten sind medizinischer Natur, aber auch die anderen variieren in ihrer Ätiologie: normales arttypisches Verhalten, konditioniert oder umweltbedingtes abnormales Verhalten. Aber selbst letztere sind keine homogene Gruppe, denn Sie unterscheiden sich stark in ihren Symptomen, ihrem Schwerpunkt und der offensichtlichen Ursache. Einige sind gleichförmig wiederholte motorische Muster, bei denen der Schwerpunkt auf der Bewegung liegt – diese werden zu Recht als Stereotypen bezeichnet. Andere hingegen resultieren aus der Fixierung auf ein Ziel und können als zwanghaftes Verhalten bezeichnet werden. Einige davon gestalten sich einfach, wie z. B. das Anstarren von Gegenständen und bei anderen handelt es sich um komplizierte Rituale, deren Einschätzung schwierig ist. Einige Verhaltensweisen, die gewöhnlich als zwanghaft angesehen werden, scheinen ebenso Halluzinationen zu beinhalten. 

     

     

  • Aufmerksamkeitssuchendes Verhalten

  • Verhalten das nur in der Gegenwart eines Menschen auftritt der seiner Katze für dieses Verhalten positive oder negative Aufmerksamkeit schenkt. Obwohl auch eine Zwangsstörung diese Kriterien erfüllen könnte, spricht diese nicht auf das Ignorieren des Verhaltens an.

Klassifizierung von unerwünschtem Verhalten – eine Vielzahl von Faktoren

Während im Alltag verallgemeinernde Begriffe üblich sind, sind in den Bereichen Forschung, Praxis und Klinik eindeutige Beschreibungen und Klassifizierungen notwendig. Die Klassifizierung verfolgt allerdings je nach Literatur eine Reihe unterschiedlicher Ansätze. 

  • Form die das Verhalten annimmt (z. B. übermäßige Lautgebung)

  • Kontext in dem das Verhalten auftritt (z. B. territoriale Aggression)

  • Ziel für das Verhalten (z. B. intraspezifische Aggression) 

  • wahrscheinliche Motivation des Verhaltens (z. B. umgelenkte Aggression)

Wie gleich ersichtlich wird, beinhalten alle diese Ansätze denkbare Nachteile. Ein Beispiel: Die Beschreibung eines beobachteten Verhaltens, Kontextes oder Ziels gibt keinen Hinweis auf eine mögliche Motivation. Dies kann irreführend sein, da eine Verhaltensdarstellung auf verschiedenen Wegen entstehen kann. Für übermäßiges miauen können ein oder mehrere Gründe verantwortlich sein – Angst, Aufmerksamkeitssuche, Schilddrüsenüberfunktion oder altersbedingte Veränderungen wie kognitive Dysfunktion. Die Eingruppierung in eine zusammengefasste Kategorie könnte dementsprechend zu Behandlungsansätzen führen, die nicht für alle Fälle geeignet sind. Der Hauptnachteil besteht aber darin, dass diese Ansätze eine Informationsgewinnung aus der Interpretation von Vorgeschichte, Kontext und Beobachtung der Katze erfordern. Aufgrund dieser Art von Klassifikation kann es z. B. zu kulturbedingten Unterschieden bei den einzelnen Fachautoren kommen. Letztendlich müssen bei dem derzeit begrenzten Wissen über die Lehre von den Ursachen die entsprechenden Diagnosen als hypothetische Konstrukte betrachtet werden, die mit dem wissenschaftlichen Fortschritt und dem Wissenszuwachs angepasst und weiterentwickelt werden sollten.