Katzenverhalten: Pharmakologie bei Zwangsstörungen

 

Pharmakologie bei wiederholendem & zwanghaften Verhalten

Psychopharmaka sind in der Lage die Motivation einer Katze bestimmte Verhaltensweisen zu zeigen zu verändern – darüber hinaus können sie eine Ergänzung zur klassischen Verhaltenstherapie sein. Im besten Fall offenbaren sich die Ursachen für das Verhalten während der Behandlung. Erfolgen allerdings nicht die notwendigen Veränderungen im Umfeld, im Verhalten des Halters und in der Konditionierung, wird das Verhalten vermutlich früher oder später fortgesetzt, sobald die Behandlung eingestellt wird. Bei einigen Verhaltensproblemen tritt eine Verbesserung schneller und stärker ein, wenn die Verhaltenstherapie & Umweltmanagement durch Medikamente ergänzt werden. Bevor Psychopharmaka zum Einsatz kommen, muss die Diagnose anhand der medizinischen und verhaltensbezogenen Vorgeschichte und evtl. Testergebnisse gestellt werden.

Derzeit sind nur sehr wenige Psychopharmaka für die Behandlung von Verhaltensstörungen bei Katzen zugelassen. Die Verwendung von Generika (inkl. für den Menschen entwickelte), ist in der Europäischen Gemeinschaft unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Neue Medikamente zur Behandlung psychiatrischer Störungen bei Menschen kommen regelmäßig auf den Markt, sind aber oft für den durchschnittlichen Tierhalter unerschwinglich. Darüber hinaus fehlt es in der Regel an tierischen Daten – mit Ausnahme von älteren Forschungsergebnissen, bei der Labortiere eingesetzt wurden.

 

  • Medikamente verwenden, die für ein bestimmtes Problem bei einer bestimmten Tierart zugelassen sind 

  • Generika, die von Spezialisten und Experten für die Behandlung von Verhaltensproblemen bei Tieren verwendet wurden, mit der daraus resultierenden Veröffentlichung von Informationen über die Wirksamkeit und möglicher Nebenwirkungen bei einer bestimmten Tierart.

»Ältere« Psychopharmaka, die als Generika für menschliche Patienten erhältlich sind, werden billiger sein als neuere Generationen. Zudem gibt es bei diesen eher Verhaltensspezialisten, die bereits die Wirkung bei Tieren untersucht haben.

Praktische Aspekte der Verabreichung psychoaktiver Medikamente

  • Patientenbewertung

  • Alle Patienten sollten im Rahmen der Bewertung einen sorgfältigen Gesundheitscheck erhalten – der evtl. umfangreicher sein muss, wenn die Verabreichung von Psychopharmaka in Betracht gezogen wird. Wichtig ist auch den Status der Leber zu ermitteln – sofern über einen längeren Zeitraum ein Medikament verabreicht werden soll, das über diese verstoffwechselt wird. Daher wird empfohlen, vor der Verschreibung routinemäßig ein allgemeines Blutprofil zu erstellen und weitere Tests durchzuführen – sofern dies notwendig oder durch das Medikament angezeigt ist. Da viele Medikamente nicht für den Einsatz bei Katzen oder den angestrebten Verwendungszweck zugelassen sind, sollte dem Halter dessen Einsatz erklärt und entsprechend dokumentiert werden.

  • orale Verabreichung (2 Hauptgruppen)

  • Psychopharmaka zur Behandlung von Verhaltensproblemen werden in der Regel oral verabreicht.

    1.) tägliche Verabreichung (1-2 Mal) – längere Zeiträume 

    2.) sporadische Verabreichung – bei Bedarf

    Verhaltensprobleme wie Angst oder Aggression machen die Verabreichung von Medikamenten oft problematisch – insbesondere trizyklische Antidepressiva, mit einem sehr bitteren Geschmack. Einige zugelassene Kautabletten verfügen über einen Fleischgeschmack was die Verabreichung evtl. erleichtert. Dennoch mögen nicht alle Katzen diese Tabletten. In diesen Fällen ist es sinnvoll, vorab ein wohlschmeckendes Kau-Leckerli zu verfüttern. Es kann hilfreich sein, dieses Prozedere zur gleichen Tageszeit durchzuführen. Sobald dieses Ritual etabliert ist, sollte versucht werden, das Medikament in die Behandlung einzubringen.

    In einigen Fällen wird die Routine verbessert, indem verschiedene Leckereien verwendet werden, welche die Tablette enthalten und zwischen diesen gewechselt wird. Dadurch wird bestenfalls verhindert, dass eine berechenbare Veränderung des Geschmacks die Katze von der Einnahme abschreckt. Wenn die Katze eine kleine Portion ihres Lieblingsfutters erwartet (z. B. Thunfisch/-flüssigkeit), wird der freiwillige Verzehr manchmal erreicht, indem man dem Futter langsam zunehmende Mengen des Medikaments zusetzt. Denkbar ist es auch das Medikament in einer flüssigen Form zu verabreichen, sofern diese mit der üblichen Behandlung kompatibel ist. Die plötzliche Zugabe einer ganzen Dosis schreckt die Katzen möglicherweise ab, denn diese akzeptieren nur geringe geschmackliche Abweichungen. Oft erweist es sich als Vorteil, eine schmackhafte Leckerei nach jeder erfolgreichen Applikation zu geben.

     

  • transdermale Medikation

  • Die Verabreichung von Medikamenten über die Haut ist zwar meist einfacher als die Verabreichung einer Tablette, haben sich aber für diese Medikamente als unwirksam erwiesen. Die Blutspiegel, die erreicht werden, wenn eine der oralen Dosis entsprechende Dosis über die Haut verabreicht wird, sind wesentlich niedriger als die, die bei der Verabreichung als Tablette erreicht werden. Eine Erhöhung der Medikamentenkonzentration z. B. mittels Hautpflaster oder Gelen auf Werte, die zu vergleichbaren Blutspiegeln führen, verursachen vermutlich Ekzeme (Dermatitis). 

  • Schwangere und säugende Katzen

  • Wenn eine Katze ein schweres Verhaltensproblem hat, ist oft die Einnahme von Psychopharmaka über einen längeren Zeitraum erforderlich. Da diese Medikamente in der Regel durch die Plazenta zum Fötus und auch in die Milch des Muttertieres gelangen können, sollte ihre Anwendung bei trächtigen oder säugenden Tieren möglichst vermieden werden.

  • Serotonin-Syndrom (SS)

  • Umschreibt die potenziell tödliche Toxizität durch ein überhöhtes Vorkommen des Nervenbotenstoffs (5-Hydroxytryptamin oder 5HT) bedingt durch Wechsel- oder Nebenwirkungen von Medikamenten wie z. B. bei einer Überdosierung. 

    - Nahrungsmittel die viel L-Tryptophan enthalten (Vorstufe von Serotonin)

    - Medikamente, die die präsynaptische Serotoninfreisetzung erhöhen

    - Medikamente, die den Stoffwechsel oder die Wiederaufnahme von Serotonin zurück in das präsynaptische Neuron hemmen 

    - Medikamente, die die Wirkung von Serotonin am postsynaptischen Neuron erleichtern

    Da viele Medikamente die zur Behandlung von Verhaltensstörungen eingesetzt werden, den Serotoninspiegel beeinflussen, sollte bei der Kombination Vorsicht geboten sein. Bevor ein Medikament zum Einsatz kommt, dass die Serotonin-Aktivität erleichtert, sollten alle anderen verabreichten Medikamente auf ihr Potenzial ein SS zu induzieren überprüft werden. Dazu gehören beispielsweise Amitraz (Ektoparasiten), Tramadol (Schmerzmittel) und alle vom Halter verwendeten pflanzlichen Nahrungsergänzungsmittel, die sich wie Johanniskraut auf das Serotonin auswirken können.

     

Häufig verwendete Medikamentenklassen und ihre Wirkungen 

  • Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRIs)

  • Wirkung

    Ihre Effekte beruhen auf der selektiven Hemmung der Wiederaufnahme von Serotonin in das präsynaptische Neuron. Dadurch wird die Konzentration des Neurotransmitters im synaptischen Spalt erhöht.

  • Indikation

    Beim Menschen kommen die SSRIs hauptsächlich als Antidepressiva zur Anwendung, während diese bei Tieren oft als Angstlöser, zur Aggressionssenkung oder bei Zwangsstörungen zum Einsatz kommen.

  • klinische Leitlinie

    Die erste Wirkung tritt evtl. innerhalb von 2 Wochen ein, für die maximale Wirksamkeit ist oft die tägliche Verabreichung über 6–8 Wochen notwendig. SSRIs sollten immer regelmäßig und niemals bei Bedarf gegeben werden.

  • Kontraindikationen, Nebenwirkungen und unerwünschte Ereignisse

  • - Aggression, Erregung, Reizbarkeit

    - Appetitlosigkeit

    - Angst

    - Verstopfung, Durchfall

    - niedrige Natriumkonzentration im Blut (Hyponatriämie)

    - Schlaflosigkeit

    - Sedierung

    - Krampfanfälle und Zittern (Tremor)

    - eine verminderte Libido – bei Tieren die ein unangemessenes Sexualverhalten zeigen von Vorteil.

  • SSRIs sollten niemals mit Monoaminoxidase-Inhibitoren (MAOIs) wie Selegilin (L-Deprenyl) gegeben werden. Bei einer Überdosierung und Kombination mit trizyklischen Antidepressiva (TZAs) und/oder Azapirone (Buspiron – Angstlöser) besteht die Gefahr eines SS. Daher muss die Kombination mit TZA, Azapironen und anderen Medikamenten, die die Serotonin-Aktivität erleichtern (z. B. Tramadol – Opioid) sehr vorsichtig erfolgen.

  • spezifische Medikamente

    Von den SSRIs ist Fluoxetin (Antidepressiva) das in der tierärztlichen Praxis am häufigsten verwendete Präparat. Es ist wirksam bei der Behandlung von Harnmarkieren.

  • Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahme Hemmer (SNRIs)

  • Wirkung

    SNRIs hemmen die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin (Norepinephrin), was zu einer Erhöhung der Aktivität dieser beiden Moleküle führt, da sie über längere Zeiträume wirken können. Bei längerem Gebrauch kommt es auch zu einer Herunter Regulierung der postsynaptischen Serotonin- und Noradrenalin-Rezeptoren. In der Veterinärmedizin sind die am häufigsten verwendeten SNRIs die TZAs. Zusätzlich zur Beeinflussung der Aktivität von Serotonin und Noradrenalin haben diese eine antihistaminische (schwächt bzw. stoppt den Botenstoff Histamin) und anticholinerge (hemmt den Neurotransmitter Acetylcholin) Wirkung und sind α1-adrenerge Antagonisten. Bei den jeweiligen Wirkungen gibt es große Unterschiede zwischen den TZAs, was zu erheblichen Abweichungen in ihrer klinischen Wirkung führt.

  • Indikation

    TZAs werden für die gleichen Arten von Verhaltensproblemen verwendet, für die auch SSRIs verwendet werden – also zur Senkung von Ängsten, Aggressionen sowie die Hemmung von Zwangsstörungen.

  • klinische Leitlinie

    Wie die SSRIs müssen TZAs über einen Zeitraum von mehreren Wochen täglich oder in manchen Fällen sogar zweimal täglich verabreicht werden, um die volle Wirksamkeit zu erreichen.

  • Kontraindikationen, Nebenwirkungen und unerwünschte Ereignisse

    Wegen der erheblichen Unterschiede der biochemischen Aktivität verschiedener TZAs und der unterschiedlichen Art und Weise, wie diese verstoffwechselt werden, variieren die Nebenwirkungsprofile stark.

  • - Appetitänderungen

    - Bewegungsstörungen

    - Herzrhythmusstörungen, beschleunigter Herzschlag, Blutdruckveränderungen

    - Verstopfung, Durchfall

    - verminderte Tränenproduktion

    - erweiterte Pupillen

    - Sedierung

    - Harnverhalt

  • TZAs sollten niemals mit einem MAOI verabreicht werden. Vorsicht und niedrige Dosen sind mit anderen Medikamenten, die die Serotonin-Aktivität erleichtern, inkl. SSRIs und Azapirone angebracht.

  • spezifische Medikamente

    Von den spezifischen TZAs, die in der tierärztlichen Praxis zur Anwendung gelangen, ist Clomipramin das Serotonin-spezifischste und als veterinärmedizinisches Präparat erhältlich. Bei Katzen hat sich gezeigt, dass es hilft, das Verspritzen von Urin zu kontrollieren und bei einem breiten Spektrum von angstbedingten Verhaltensproblemen nützlich sein.

  • Azapirone

  • Wirkung

    Azapirone sind Serotonin 1A-Agonisten.

  • Indikation

    Azapirone können bei Angststörungen und Phobien von Nutzen sein.

  • klinische Leitlinie

    Azapirone erzeugen keine Abhängigkeit – auch nicht nach mehreren Monaten. Während innerhalb der ersten Woche wünschenswerte Verhaltensänderungen beobachtet werden können, ist möglicherweise eine mehrwöchige tägliche Verabreichung erforderlich, um die maximale Wirksamkeit zu erreichen. Azapirone müssen für eine optimale Wirkung oft mehrmals täglich verabreicht werden, was die Anwendung für manche Tierhalter schwierig macht.

  • Kontraindikationen, Nebenwirkungen und unerwünschte Ereignisse

  • - Sedierung

    - erhöhte Angstzustände

    - verstärkte Neigung zur sozialen Kontaktaufnahme – Nebenwirkung die normalerweise als positiv betrachtet wird

  • Azapirone sollten nicht mit MAOIs verabreicht werden und in Kombination mit SSRIs und TZAs vorsichtig und in niedrigen Dosen eingesetzt werden.

  • spezifische Medikamente

    Buspiron wird bei Katzen mit 0,5-1,0 mg/kg alle 12h verabreicht.

     

  • Benzodiazepine

  • Wirkung

    Benzodiazepine erleichtern die Wirkung des hemmenden Botenstoffs Gamma-Aminobuttersäure (GABA) im Zentralnervensystem und verursachen dadurch eine verminderte Neurotransmission im gesamten ZNS. Verhaltenseffekte beziehen sich auf ihre Wirkung im Hypothalamus und im limbischen System.

  • Indikation

    Benzodiazepine sind angstlösende Medikamente mit einem schnellen Wirkungseintritt. Sie sind bei einer Vielzahl von Angststörungen und Phobien nützlich – insbesondere wenn der verzögerte Wirkungseintritt der SNRIs oder SSRIs ein Problem darstellt.

  • klinische Leitlinie

    Die klinische Wirksamkeit reicht von etwa 3 Stunden für die kürzer wirkenden Benzodiazepine wie Alprazolam bis zu etwa 10 Stunden für die länger wirkenden wie Clorazepat. Das individuelle Ansprechen ist jedoch sehr unterschiedlich, ebenso wie die optimale Dosis. Einer der Vorteile von Benzodiazepinen ist, dass sie mit vielen anderen Medikamenten inkl. Psychopharmaka kombiniert und ohne nachteilige Folgen eingesetzt werden können.

    Dosierung testen: Zum Beginn der Behandlung, ist es sinnvoll dem Halter eine Testdosis mitzugeben. Diese wird in »Normalzustand« der Katze verabreicht, sodass die Beobachtung bzgl. Nebenwirkungen und unerwünschte Reaktionen machbar ist. Wenn die Katze keine Nebenwirkungen zeigt, ist evtl. die Verabreichung in angstauslösenden Situationen denkbar. Im ersten Fall ist eine Videoaufnahme mit der Reaktion der Katze von Vorteil. Idealerweise sollte das Benzodiazepin 30–60 Minuten vor der Aussetzung gegenüber dem Angstauslöser verabreicht werden, das lässt Zeit für die Resorption und die Aktivierung im ZNS. Das Medikament kann auch verabreicht werden, wenn die Katze längere Zeit der Quelle ausgesetzt war oder nicht behandelt wurde – allerdings wird es dann vermutlich nicht so wirksam sein.

    potenzielle Sucht: Während Benzodiazepine bei kurzfristigem oder gelegentlichem Gebrauch vorteilhaft sein können, bewirkt eine tägliche Dosierung in höheren Dosen über mehrere Wochen/Monate hinweg meist eine körperliche Abhängigkeit. Vereinzelt ist diese Behandlungsmethode dennoch notwendig, weil sie die einzige Behandlungsmethode ist auf die die Katze mit einer Verbesserung reagiert. In diesen Fällen muss, wenn das Problem endgültig gelöst ist, die Medikation allmählich eingestellt werden. Meist erfolgt dieses durch eine wöchentliche Dosisreduktion von max. 25–33 %, die mindestens einen Monat vor dem vollständigen Absetzen der Medikamente erfolgen muss – oft ist ein noch langsamerer Rückgang erforderlich.

    Toleranz und Absetzeffekt (Rebound): Zwei weitere Phänomene, die bei der Anwendung eines Benzodiazepins auftreten können, sind Toleranz und Rebound. Katzen, die eine Toleranz entwickeln, benötigen eine ständig steigende Dosis um die klinische Wirksamkeit zu erhalten. Wenn wiederholte Dosiserhöhungen über einen Zeitraum von Wochen erforderlich sind, ist die Entwicklung einer Sucht wahrscheinlich. Ein Rebound ist möglich, wenn Katzen, die mehrere Wochen lang Benzodiazepin bekommen haben, aber nicht abhängig geworden sind, plötzlich von der Medikation abgesetzt werden. In diesem Fall kehrt das ursprüngliche Verhaltensproblem abrupt und mit größerer Intensität und/oder Häufigkeit als ursprünglich zurück. Aus diesem Grund ist selbst ohne Vorliegen einer körperlichen Abhängigkeit, immer ein schrittweiser Entzug notwendig, sofern die Katze über einen längeren Zeitraum ein Benzodiazepin bekam.

    Wirkung bei Aggressionen: Die Anwendung von Benzodiazepinen bei aggressiven Katzen ist umstritten. Einige der frühen Forschungsarbeiten deuteten darauf hin, dass Benzodiazepine eine erhebliche Abnahme der Aggressivität verursachen können, während nachfolgende Untersuchungen zeigten, dass diese Aggressionen in einigen Fällen sogar verstärkten. Dies liegt daran, dass zwar die angstbedingte Aggressivität und Furcht aufgrund der angstlösenden Wirkung von Benzodiazepinen abnimmt, gleichzeitig aber auch die Möglichkeit eines Hemmungsverlustes besteht, der seinerseits zu erhöhter Aggression und Senkung der Reizschwelle führt. Im Allgemeinen sollten Benzodiazepine nicht das bevorzugte Medikament sein, sofern es um die Behandlung von aggressiven Katzen geht. Für Patienten, die auf andere Behandlungen nicht ansprechen, ist es aber evtl. von Nutzen.

    Auswirkung auf erlerntes Verhalten: Die Wirkung von Benzodiazepinen auf das Verhalten ist unterschiedlich und ihre Anwendung bei der Behandlung einiger Verhaltensprobleme umstritten. Ein detaillierter Blick in Fachliteraturen zeigt, dass einige Benzodiazepine in bestimmten Dosen bei bestimmten Arten des Verhaltens und bestimmten Spezies kontraproduktiv sind, während andere Benzodiazepine die gewünschte Wirkung zeigen. Daher sollte ihr Einsatz bei der Behandlung einer ängstlichen Katze, bei der im Rahmen der Gegenkonditionierung verschiedene Lernprozesse durchgeführt werden, nicht komplett verworfen werden.

  • Kontraindikationen, Nebenwirkungen und unerwünschte Ereignisse

  • - Angstzustände

    - Bewegungsstörungen

    - Halluzinationen

    - gesteigerter Appetit

    - verstärkte Aufgeschlossenheit

    - Schlaflosigkeit

    - Muskelentspannung, erhöhte Muskelspastik

  • Es wurde von idiopathischer Lebernekrose als Folge der Verabreichung von Diazepam berichtet.

  • Spezifische Medikamente

    Diazepam wird in der Veterinärmedizin für verschiedene Zwecke inkl. der Anästhesie eingesetzt. Daher stehen oft mehrere Praktiken zur Verfügung und die meisten Mediziner sind mit der Anwendung vertraut. Es ist als Tablette, Suspension, injizierbare Lösung und Rektalgel erhältlich. Die Halbwertszeit von Diazepam beträgt 5,5 Stunden, sein Hauptmetabolit ist Nordiazepam, dass eine Halbwertszeit von 21,3 Stunden bei Katzen hat. Der genaue Metabolismus von Diazepam inkl. der Frage, in welche Metaboliten es in welchen Anteilen umgewandelt wird, variiert erheblich je nach Spezies, was zu einer beträchtlichen Variation der klinischen (Neben) Wirkungen führt.

  • Monoamin-Oxidase-Inhibitoren (MAOIs)

  • Wirkung

    Monoaminoxidase (MAO) wird in der äußeren Mitochondrienmembran vieler Gewebearten gefunden (Herz, Leber, Nieren, Milz, Thrombozyten, im peripheren und zentralen Nervensystem). MAO-Enzyme bewirken eine chemische Abspaltung einzelner Aminogruppen inkl. langkettiger Diamine. MAO-A ist der primäre Biokatalysator exogener Amine inkl. Tyramin, die über die Nahrung oder Medikamente in den Darmtrakt und die Leber gelangen. MAO-B ist ein Enzym auf der äußeren Mitochondrienmembran, dass die oxidative Desaminierung von biogenen und xenobiotischen Aminen im ZNS katalysiert inkl. Phenethylamin, Dopamin, Adrenalin (Epinephrin), Noradrenalin und Serotonin. 

    MAOIs beeinflussen die Aktivität von MAO-A und MAO-B. Darüber hinaus haben sie zusätzliche Wirkungen, die oft wichtig für das Verständnis ihrer Wirkung im Körper sind. Selegilin das am häufigsten bei Tieren eingesetzt wird, hemmt die Aufnahme von Katecholaminen, induziert die Freisetzung von Katecholaminen aus ihren intraneuronalen Speichern, hemmt die Aktivität präsynaptischer Katecholaminrezeptoren und stimuliert die Kopplung von Aktionspotenzial und Transmitterfreisetzung. MAOIs haben demnach komplexe Wirkungen auf den Körper, mit möglicherweise drastischen Folgen, sofern man versucht diese mit einem anderen Medikament zu kombinieren. Eine zusätzliche Schwierigkeit der Verwendung in der Praxis ist die Tatsache, dass verschiedene Arten unterschiedliche Verhältnisse von MAO-A und MAO-B aufweisen – sowohl in bestimmten Organsystemen als auch im gesamten Körper. Ein MAOI, dass bei einer Spezies auf eine bestimmte Art und Weise seine Wirkung entfaltet, bewirkt womöglich bei einer anderen Spezies dramatische (Neben) Wirkungen.

  • Indikation

    Selegilin ist in vielen Ländern für die Verwendung bei Hunden zugelassen, obwohl die zugelassenen Indikationen je nach geografischer Region variieren. Es wird bei ihnen zur Behandlung kognitiver Dysfunktion in der Geriatrie eingesetzt und ist in Europa für die Behandlung von emotionalen Störungen zugelassen. 

  • klinische Leitlinie

    Es hat angstlösende Wirkung, wird aber im Allgemeinen nicht als bevorzugtes Medikament angesehen, da andere Medikamente genauso gut oder besser wirken, ohne dabei die Verabreichung anderer Medikamente einzuschränken.

  • Kontraindikationen, Nebenwirkungen und unerwünschte Ereignisse

    Eine tödliche ZNS-Toxizität durch die Kombination von MAOI (z. B. Selegilin) mit anderen Medikamenten ist denkbar – inkl. häufig verwendeter Mittel wie Amitraz, Amitriptylin, Clomipramin, Fluoxetin, Paroxetin und Tramadol.

  • spezifische Medikamente

    Selegilin wird Katzen mit altersbedingtem kognitivem Abbau in einer täglichen morgendlichen Dosis von 0,5-1,0 mg/kg oral verabreicht. Die Medikamente sollten mindestens einen Monat lang verabreicht werden, bevor eine Bewertung erfolgt.

  • Antipsychotika

  • Wirkung

    Antipsychotika blockieren die Wirkung von Dopamin. Darüber hinaus haben sie eine Vielzahl anderer Wirkungen – antihistaminisch, Antagonismus von Dopamin-Rezeptoren, Alphablocker sowie als Muskarinrezeptor-Antagonist. Eine der Hauptanwendungen von Antipsychotika beruht auf ihrer Wirkung von verminderter emotionale Erregung und Gleichgültigkeit gegenüber verschiedenen Reizen, ebenso verringern sie die motorische Aktivität.

  • Indikation

    Antipsychotika werden leider häufig unangemessen als primäre Behandlungsmethode bei Angst- und Furchtstörungen eingesetzt. Echte Angstlöser (Anxiolytika) lindern zwar die Angst, die Katze selbst verbleibt aber auf einem relativ normalen emotionalen und körperlichen Niveau. Antipsychotika vermindern lediglich die motorische Aktivität und verringern dadurch auch die gesamte emotionale Reaktionsfähigkeit. Sie eignen sich daher nicht als eigenständige Behandlung von Störungen wie Astraphobie (Angst vor Blitzen & Donner) oder Trennungsangst. Antipsychotika können nützliche Ergänzungen zu Angstlösern sein, wenn die Verhaltensreaktion des Tieres so schwerwiegend ist, dass ein Risiko zur Selbstverstümmelung besteht. Dazu gehören ebenfalls Tiere, die zu hysterischem Verhalten neigen, also z. B. durch Glas oder über einen Balkon springen. In solchen Fällen führt ein geringer Einsatz von Antipsychotika zu Beginn der Behandlung dazu, dass die Katze unverletzt bleibt, während gleichzeitig Fortschritte bei der Behandlung der Primärerkrankung erzielt werden.

  • klinische Leitlinie

    Die meisten Antipsychotika wirken sofort und erfordern keine regelmäßige Dosierung, weshalb sie nach Bedarf eingesetzt werden können.

  • Kontraindikationen, Nebenwirkungen und unerwünschte Ereignisse   

  • - extreme Gleichgültigkeit

    - verringertes Sozialverhalten

    - Schwierigkeiten bei der Bewegungseinleitung

    - motorische Unruhe

    - Muskelkrämpfe, Steifheit aufgrund von erhöhtem Muskeltonus und Zittern

  • spezifische Medikamente

    Das wegen seiner beruhigenden Wirkung bei Kleintieren am häufigsten verwendete Antipsychotikum ist Acepromazinmaleat (ACP), das je nach Bedarf in einer Dosis von 1,0-2,0 mg/kg oral verabreicht wird. Niedrigere Dosen sollten verwendet werden, wenn Acepromazin als Ergänzung zu anderen psychoaktiven Medikamenten, wie z. B. einer Kombination aus Fluoxetin und Diazepam, verabreicht wird.

Kontraindikation & Vorkehrung

Da die meisten Medikamente die zur Behandlung von Verhaltensauffälligkeiten eingesetzt werden nicht von der FDA für diese Anwendung zugelassen sind, sollte der Tierarzt den Halter über jede Verwendung von Off-Label-Medikamenten informieren und diese Mitteilung dokumentieren. Erkundigen Sie sich nach allen Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen. Bei Leber- oder Nierenfunktionsstörungen ist eine veränderten Wirkstoff-Clearance und Verstärkung plausibel. Dosen für die Aufbringung auf die Haut sind nicht festgelegt und schlechte Absorption stellt ein mögliches Problem dar. Paradoxe Reaktionen und inakzeptable Nebenwirkungen wie erhöhte Angst oder Aggression sind möglich. Das Ansprechen auf die Therapie sollte überwacht und die Behandlung bei Bedarf geändert oder abgebrochen werden.

Vor der Medikation sollten (Labor) Untersuchungen durchgeführt werden um zu testen, ob die Katze in der Lage ist die Medikamente angemessen zu verstoffwechseln und auszuscheiden. Eine Mindestdatenbank sollte großes Blutbild, Laboruntersuchungen, Urinanalyse und Schilddrüsenbewertung enthalten. Medikamente, die über einen längeren Zeitraum verabreicht werden, sollten idealerweise in der Dosis reduziert und nicht abrupt abgesetzt werden. Für Katzen die eine Langzeitmedikation erhalten, wird eine jährliche oder halbjährliche Wiederholungsprüfung inkl. (Labor) Untersuchung und großem Blutbild empfohlen.

  • Opioid- und Dopamin-Antagonisten: Sind zwar in der Lage das zwanghafte Verhalten zu reduzieren, werden aber aufgrund ihrer Nebenwirkungen und/oder ihres Dosierungsschema nicht empfohlen.

  • Hormonpräparate: Progesteron beispielsweise ist nur temporär beim Markierverhalten von Katern angebracht, denn sie führen zu Knochenmarkschädigung und haben einen Diabetes-Effekt – zur Behandlung von Verhaltensproblemen sind sie gänzlich ungeeignet. 

  • TZAs: Der Einsatz von Amitriptylin, Clomipramin & Co. bei Katzen mit Herzanomalien, Krampfanfällen oder Glaukom sollte nach Möglichkeit vermieden oder nur mit äußerster Vorsicht durchgeführt werden – diese können bereits bestehende Erkrankungen verstärken. Überdosierungen können tödliche Herzstörungen verursachen, daher sollten alle Medikamente sorgfältig gelagert und verwaltet werden.

  • Serotonin-erhöhende Medikamente: Bei Katzen mit epileptiformen Anfällen sollten diese bestenfalls vermieden oder vorsichtig angewendet werden, denn diese sind in der Lage die Anfälle zu verschlimmern. Aufgrund der Möglichkeit schwerer Nebenwirkungen inkl. des tödlichen Serotonin-Syndroms, hat die gleichzeitige Verabreichung mehrerer Serotonin-erhöhender Medikamente mit äußerster Vorsicht zu erfolgen. Dies schließt die gleichzeitige Anwendung mit anderen SSRIs, TZAs, MAO-Hemmer (Amitraz, Selegilin) und Tramadol ein. 

  • Benzodiazepine: Vorsicht ist bei Diazepam, Valium & Co. geboten, insbesondere wenn die Katze aggressives Verhalten aufweist – diese Medikamente können enthemmend wirken und die Beißhemmung reduzieren. Wie bereits aus Therapie von Epilepsie bei Katzen | Medikamente bekannt, bewirkt Diazepam Abhängigkeit, Gedächtnisverlust, bereitet Entzugsprobleme und birgt Missbrauchsrisiken. Insbesondere bei vorgeschädigten Katzen besteht die Gefahr einer Lebervergiftung. Etwa 10 % der Katzen zeigen eine paradoxe Reaktion und werden ängstlich und aufgeregt statt ruhig und entspannt. Benzodiazepine sind fettlöslich (lipophil) und ihre Wirkung evtl. durch andere lipophile Medikamente verstärkt. Sofern eine Kombinationsbehandlung gerechtfertigt ist, sind stets niedrige Dosierungen zu verwenden.

  • α2-Adrenozeptor-Agonisten: Achtung bei Clonidin & Co. – insbesondere bei Katzen mit Bluthochdruck/Herzerkrankungen und in Kombination mit Medikamenten, die den Noradrenalinspiegel erhöhen. Ebenso wenn psychotrope Medikamente in Verbindung mit anderen ZNS-aktiven Arzneimitteln inkl. Vollnarkosemitteln, Neuroleptika (z. B. Acepromazin wirkt nur sedierend ohne angstlösende Wirkung), Anticholinergika und Sympathomimetika verwendet werden.

Umgang mit dem Halter & Hinweise 

Der Veterinärmediziner sollte Empathie für die Situation des Halters aufbringen, mögliche Ursachen in einem ausführlichen Gespräch herausfinden, die Lage vor Ort einschätzen, einen detaillierten Verhaltensplan mit exakten Anweisungen erstellen sowie in gewissen Abständen die Lage vor Ort erneut beurteilen und ggf. »nachjustieren«. Am besten begegnet er fehlendem Wissen und der daraus entstandenen Umgangsfehler, durch fachliche und empathische Aufklärung. Er wird bestenfalls darauf hinweisen, dass der Erfolg umso wahrscheinlicher ist, je genauer und konsequenter die Anweisungen von allen Hausbewohnern befolgt werden. Kommt es seitens des Halters zu unzureichender Einhaltung der Ratschläge, ist ein Rückfall garantiert – Verschlechterung der Ausgangsvoraussetzungen und eine negative Prognose sind wahrscheinlicher.

  • In vielen Fällen von zwanghaftem und sich wiederholendem Verhalten ist eine lebenslange Behandlung erforderlich.

     

  • Eine genaue Aufzeichnung erleichtert die Beurteilung des Behandlungserfolgs.

  • Das anfängliche Ansprechen auf die Behandlung bewirkt womöglich bereits eine Veränderung der Häufigkeit, Dauer oder Intensität des zwanghaften und wiederholten Verhaltens, wenn auch »nur« in einzelnen Bereichen. Jede Reaktion sollte als positiv betrachtet und auf weitere Verbesserungen hin überwacht werden.

Einstellungen, Überzeugungen & Verhalten des Klienten

Es ist wichtig, das der Tierarzt die Haltung und Ansichten des Halters kennt und anspricht, um sicherzustellen, dass dessen Erwartungen auch realistisch sind. Die Korrektur von unangemessenem Verhalten des Halters ist ein wesentlicher Bestandteil der Behandlungsstrategie sein. Einige der wichtigen Bereiche sind:

  • Der Halter täuscht sich evtl. über die Motivation für das Verhalten. Die Katze unternimmt dies weder, um den Besitzer zu ärgern, noch ist das Problem ein Zeichen von ungezügeltem Temperament oder Verrücktheit. Allerdings müssen Aufmerksamkeit-suchende Verhaltensweisen differenziert und die unbeabsichtigte Verstärkung identifiziert und korrigiert werden. Diese Probleme treten oft dann auf, wenn die Routine des Tieres ein erhebliches Maß an Inkonsistenz und Unvorhersehbarkeit aufweist – Katzen benötigen diese Vorhersehbarkeit im Alltag. Die Bedeutung von Vorhersagbarkeit und Kontrolle und die Beständigkeit des Halters im Leben der Katze müssen evtl. erklärt werden – wobei auch zu betonen ist, wie wichtig das Verhalten der anderen Familienmitglieder ist.

  • In einigen Fällen ist eine medikamentöse Behandlung erforderlich und die Einstellung des Halters muss bewertet werden. Resistente Halter können von der Bedeutung dieser Art von Intervention überzeugt werden, wenn sie verstehen, dass das Problem eine wichtige neurologische Grundlage hat.

Überwachung der Katze

  • Hilfreich ist die Erstellung eines täglichen oder wöchentlichen Protokolls über das Auftreten des zwanghaften oder sich wiederholenden Verhaltens inkl. Dauer und Häufigkeit. Dies ermöglicht dem Tierarzt eine genaue Beurteilung von Verhaltensänderungen.

  • Eine anfängliche, wöchentliche oder zweiwöchentliche Nachsorge ist wünschenswert, um das Behandlungsprogramm zu steuern und das Ansprechen auf die Medikamente zu überwachen.

  • Wenn möglich sollte vor der Medikation eine Blutuntersuchung durchgeführt werden.

  • Bei Langzeitmedikation sollte eine jährliche oder halbjährliche Nachkontrolle inkl. (Labor) Untersuchung, großem Blutbild und Urinanalyse durchgeführt werden.

Verlauf & Prognose

  • Es sind teilweise mehrere Wochen Geduld erforderlich bis eine Verbesserung zu erkennen ist. Wenn sich nach einigen Wochen keine Besserung einstellt, sollten Diagnose, Behandlungsplan, Medikamente und Compliance neu bewertet werden.

  • Ein Rückfall ist denkbar, wenn Stress, Konflikte und/oder Frust wieder in der Umgebung auftreten.

  • Je länger ein solches Verhalten bereits besteht, desto schlechter ist die Aussicht auf Verbesserung. Eine Behandlung sollte daher in einem frühen Stadium angestrebt werden – das steigert die Wahrscheinlichkeit eines Behandlungserfolgs.

  • Die realistische Erwartunge bei einer zwanghaften und sich wiederholenden Verhaltensstörung ist die Verbesserung, aber keine Heilung.