Epilepsie bei Katzen: Gabapentin, Pregabalin & Zonisamid

Gabapentin (GBP) 1-(Aminomethyl) cyclohexylessigsäure | Neurontin, Gabax

Gabapentin ist in Europa und von der US Food and Drug Administration (FDA) seit 1993 zur Behandlung von fokalen Anfällen – mit/ohne sekundäre Generalisierung – sowie zur Behandlung von OP-Nervenschmerzen zugelassen. Im Jahr 2011 genehmigte die FDA auch die Verwendung mit verlängerter Wirkstofffreisetzung als Retard. GBP wurde ursprünglich entwickelt, um polysynaptische Wirbelsäulenreflexe zur Behandlung der Muskelspastik zu dämpfen. Im Gegensatz zu seinem mäßigen antispastischen Effekt, wurde in einer Reihe experimenteller Versuche festgestellt, dass es eine antiepileptische Wirkung hat. Informationen über GBP bei Katzen beschränken sich auf pharmakologische Studien und einige Fallberichte über die Behandlung von chronischen Schmerzen sowie Schmerzen während und nach einem operativen Eingriff. 

 

Wirkmechanismus

Der Mechanismus ist bisher nur unvollständig verstanden. Obwohl GBP ein strukturelles Analogon des hemmenden Neurotransmitters GABA ist, bindet es sich nicht an GABAA- oder GABAB-Rezeptoren, es wird nicht in GABA oder einen GABA-Agonisten umgewandelt und es hemmt auch nicht die Aufnahme oder den Abbau von GABA. GBP und PGB unterscheiden sich von GABA, da sie mittels L-Aminosäuretransporter leicht Membranbarrieren überwinden. Die vorherrschenden pharmakologischen Mechanismen von GBP und PGB werden vermutlich durch die Bindung an die alpha2-delta-1- und alpha2-delta-2-Untereinheiten von spannungsgesteuerten Kalziumkanälen vermittelt. Dieses führt zu einer präsynaptischen Hemmung des Kalziumeinstroms, einer nachfolgenden Hemmung der Freisetzung von erregenden Neurotransmittern und einer Abschwächung der postsynaptischen Erregbarkeit. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass GBP durch die Bindung an die alpha2-delta-Untereinheiten die Bildung von abnormal erregbaren Synapsen verhindert, die zur Entstehung der Epilepsie und nervenbedingten Schmerzen beitragen können. Die selektive präsynaptische hemmende Wirkung auf spannungsgesteuerte Kalziumkanäle, die alpha2-delta-1-Untereinheiten enthalten, kann auch einige der vermuteten zusätzlichen Effekte erklären: Aktivierung von GABAB-Rezeptoren, Modulation präsynaptischer NMDA-Rezeptoren sowie eine verminderte Freisetzung von Glutamat und anderen erregenden Neurotransmittern (z. B. Substanz P – Neuropeptid aus Aminosäuren, Noradrenalin – Stresshormon & Neurotransmitter). Weitere angenommene zelluläre Effekte beinhalten die Wirkung auf das GABA-ergische Neurotransmittersystem und die spannungsgesteuerten Kaliumkanäle.

Stoffwechsel und Pharmakokinetik

Der Stoffwechsel und die Pharmakokinetik wurden bei mehreren Arten untersucht. GBP wird gut aufgenommen und die Spitzenplasmakonzentrationen werden 1 bis 3 Stunden nach der oralen Verabreichung erreicht. Nahrungsmittel haben keinen relevanten Einfluss auf die Aufnahme, die hauptsächlich über den Zwölffingerdarm erfolgt. Die orale Bioverfügbarkeit betrug 89 % mit 10 mg/kg, obwohl Unterschiede bei verschiedenen Katzen beobachtet wurden. Die Bindung an Plasmaproteine beträgt unter 3 % und eine mikrosomale Verstoffwechselung durch CYP-Enzyme der Leber wurde nicht beobachtet. Eine Studie zur Pharmakokinetik deckte bzgl. der Bioverfügbarkeit, maximaler Plasmakonzentration (Cmax) und der Dauer des Erreichens der Spitzenkonzentration (Tmax) große Unterschiede bei den einzelnen Katzen auf. Diese Unterschiede könnten darauf zurückzuführen sein, dass auf die orale Verabreichung keine Wasseraufnahme erfolgte und dass die Katzen über Nahrung nach Belieben verfügen konnten. Hierdurch sind Unterschiede in der Durchlaufzeit von Speiseröhre & Magen-Darmtrakt inkl. Wirkstoffaufnahme möglich. Basierend auf Computersimulationen wurde angenommen, dass eine Dosis von 8 mg/kg alle 6 Stunden bei Katzen zu Plasmakonzentrationen zwischen 4,3 und 8 mg/ml führen würde – die Halbwertszeit beträgt 2,5 bis 3,5 Stunden.

Pharmakokinetische Wechselwirkungen und Nebenwirkungen

Obwohl die Informationen in der Veterinärmedizin begrenzt sind, ist es unwahrscheinlich, dass pharmakokinetische Wechselwirkungen auftreten. GBP weißt nur eine geringe Proteinbindung auf und es erfolgt keine Verstoffwechselung durch CYP-Enzyme der Leber. 

dosisbedingte Nebenwirkungen 

Nebenwirkungen scheinen selten zu sein und beschränken sich in der Regel auf eine geringe Sedierung, Bewegungsstörung der Beckengliedmaßen und gesteigerten Appetit inkl. Gewichtszunahme.

Dosierungs- und Überwachungsempfehlungen

Basierend auf den Ergebnissen der derzeit verfügbaren pharmakologischen Studien und der angestrebten Serumkonzentration beim Menschen (>2 mg/ml) beträgt die empfohlene orale Dosis 3 bis 10 mg/kg alle 6 bis 8 Stunden. In einem weiteren Fachbuch wird eine orale Dosis von 5 bis 10 mg/kg alle 8 bis 12 Stunden vorgeschlagen. Die Behandlung kann mit einer niedrigen Dosis begonnen und schließlich aufgrund des Ansprechens und der Nebenwirkungen schrittweise erhöht werden. Da die Clearance stark mit der Nierenfunktion im Zusammenhang steht, ist eine Dosisreduktion bei Katzen mit eingeschränkter Nierenfunktion erforderlich. Die Referenzbereiche der Serum- oder Plasmakonzentrationen die mit einer Anfallskontrolle verbunden sind, sind noch unbekannt. Über die tatsächliche Anwendung gibt es nur anekdotische Berichte und lt. einiger Autoren gibt es keine Daten über die Sicherheit oder Wirksamkeit als Dauermedikation.

 

Wirksamkeit

Mir sind keine Studien zur Wirksamkeit als Mono- oder Begleittherapie bekannt. Darüber hinaus wurden die möglichen Vorteile der derzeit für Menschen zugelassenen Formulierungen als Retard bei Katzen nicht bewertet.

Pregabalin (PGB) (S)-3-Aminomethyl-5-methylhexansäure | Lyrica

Pregabalin ist ein GABA-Analogon, das strukturell dem GBP ähnlich ist. PGB wurde 2004 von der Europäischen Arzneimittel-Agentur zur Behandlung peripherer Nervenschmerzen und zur Begleitbehandlung bei fokalen Anfällen mit/ohne sekundäre Generalisierung zugelassen. Später erfolgte die Erweiterung auch auf zentrale neuropathische Schmerzen und generalisierte Angststörungen. Die US-amerikanische Arzneimittelzulassungsbehörde FDA genehmigte PGB im Jahr 2005 für neuropathische Schmerzen, als Begleittherapie für Erwachsene mit fokalen Anfällen und im Jahr 2007 für die Behandlung von Fibromyalgie. Speziell für Katzen liegen mir keine Daten vor.

Wirkmechanismus

Der Wirkungsmechanismus ist noch nicht vollständig geklärt. Wie bei GBP wird jedoch der wichtigste pharmakologische Wirkmechanismus durch die Bindung an die alpha2-Delta-Untereinheiten von spannungsgesteuerten Kalziumkanälen (Typ P/Q) vermittelt. Dadurch wird der präsynaptische Kalziumeinstrom durch die Kanäle selektiv abgeschwächt und die Freisetzung von erregenden Neurotransmittern wie Glutamat, Noradrenalin, Serotonin, Dopamin und Substanz P verringert. Es scheint eine größere Bindungsneigung für die alpha2-delta-Untereinheiten zu haben als GBP und es interagiert nicht mit den GABA-Rezeptoren.

 

Stoffwechsel und Pharmakokinetik

Die Plasmahalbwertszeit bei Katzen beträgt ca. 11 Stunden.

Pharmakokinetische Wechselwirkungen und Nebenwirkungen

Die wichtigste Nebenwirkung von Pregabalin scheint Sedierung zu sein. 

Dosierungs- und Überwachungsempfehlungen

Es gibt anekdotische Berichte über die Verwendung – am häufigsten wird eine orale Dosis von 1 bis 2 mg/kg alle 12 Stunden erwähnt. Es ist am besten am unteren Ende des Dosierbereiches zu beginnen (d. h. 1 mg/kg, alle 12 Stunden), um eine übermäßige Sedierung zu vermeiden. Weitere pharmakologische und klinische Studien sind erforderlich, um die optimale Dosis und das optimale Dosierungsintervall zu ermitteln. Ein Referenzbereich für Serumkonzentrationen im Zusammenhang mit der Anfällen wurde bisher nicht festgelegt.

Wirksamkeit

PGB scheint stärker und effektiver als GBP. Die antiepileptische, schmerzstillende und angstlösende Wirkung wurde in einer Reihe von Tierversuchen sowie in klinischen Studien an Menschen mit fokalen Anfällen, Nervenschmerzen und generalisierten Angststörungen bestätigt. 

wichtige Punkte Gabapentin und Pregabalin

  • GBP und PGB verfügen über eine antiepileptische Wirkung und senken das Schmerzempfinden.

  • PGB gilt als stärker und effektiver als GBP.

  • GBP hat eine schnelle Plasmahalbwertszeit – daher ist eine Verabreichung alle 6 bis 8 Stunden erforderlich. Formulierungen mit verzögerter Freigabe (Retard) können dieses Problem lösen.

  • Referenzbereiche für Serumkonzentrationen müssen noch bestimmt werden.

  • Detaillierte Daten zur Verträglichkeit, Sicherheit und Wirksamkeit bei Katzen liegen derzeit nicht vor.

Zonisamid (ZNS) 1,2-Benzisoxazol-3-methansulfonamid | Zonegran

Zonisamid ist ein synthetisches Antiepileptikum auf Sulfonamidbasis und Benzisoxazol-Derivat, das strukturell keine Gemeinsamkeit mit anderen verfügbaren Antiepileptika hat. ZNS wurde erst zwischen 2000 und 2005 in den USA sowie in Europa zugelassen. In Europa ist seine Zulassung auf die ergänzende Therapie von Erwachsenen mit fokalen Anfällen beschränkt. Es ist im Allgemeinen gut verträglich und verfügt über ein günstiges pharmakokinetisches Profil. Zonisamid erreicht die notwendigen Plasmakonzentrationen und den Erhaltungszustand bereits durch zwei tägliche Verabreichungen innerhalb von sieben Tagen nach Behandlungsbeginn bzw. Dosisänderung. Die Wirksamkeit wurde in Tierversuchen bei fokaler und generalisierter Epilepsie nachgewiesen. Klinische Studien zur Wirksamkeit bei Katzen sind nur spärlich vorhanden. Deshalb sind weitere Studien erforderlich, um die Sicherheit und klinische Wirksamkeit endgültig zu bewerten.

Wirkmechanismus

Die zufällig entdeckte antiepileptische Wirkung wurde in einer Reihe von Experimenten, sowohl an Tieren als auch per Reagenzglas bestätigt. Neuere Erkenntnisse deuten darauf hin, dass ZNS über mehrere und sich ergänzende Wirkmechanismen verfügt, die vermutlich zu seiner Wirksamkeit bei einer Vielzahl von Epilepsieformen beiträgt.

  • Stabilisierung und Unterdrückung der neuronalen Hypersynchronisation durch Hemmung neuronaler spannungsabhängiger Natriumkanäle und spannungsabhängiger Kalziumkanäle (T-Typ).

  • Neuromodulation durch Verbesserung der GABA-Funktion, Hemmung der Glutamatfreisetzung, Förderung der dopaminergen und serotonergen Übertragung und Steigerung des Acetylcholinumsatzes.

     

  • Nervenzellschutz durch Radikalfänger. Dies kann Nervenzellschäden, die durch wiederholte Anfälle verursacht werden begrenzen und auch zur Stabilisierung der Nervenzellmembran und zur Minimierung der Anfallseinleitung und -ausbreitung beitragen.

     

Darüber hinaus hat ZNS eine mäßige hemmende Wirkung auf die Carboanhydrase. Dieser Mechanismus scheint allerdings nicht zu den antiepileptischen Wirkungen beizutragen.

Stoffwechsel und Pharmakokinetik

ZNS wird schnell aus dem Gastrointestinaltrakt aufgenommen und durchquert leicht die Blut-Hirn-Schranke. Bei Katzen ist der Mechanismus des Leberstoffwechsels noch nicht vollständig geklärt. Die Verstoffwechselung mittels N-Acetylierung und Glucuronidierung ist bei Katzen ebenso nur unzureichend. Über die Pharmakokinetik wurde in einer Studie berichtet, in der fünf gesunde Katzen eine Einzeldosis von 10 mg/kg verabreicht bekamen. Die mittlere maximale Plasmakonzentration (Cmax) betrug 13,1 μg/ml (Bereich 10,1 bis 14,3 μg/ml), die Zeit bis zur maximalen Plasmakonzentration (Tmax) 4 Stunden (Bereich 2 bis 8 Stunden), die Plasmahalbwertszeit (T1/2) 33 Stunden (Bereich 21,3 bis 44,8 Stunden) und die sog. AUCs (Fläche unter der Plasmakonzentrationskurve bei intravenöser oder oraler Abgabe) lagen bei 720,3 μg/ml/Stunde (Bereich 581,9 bis 753,5 mg/ml/Stunde). Bei gesunden Katzen, die 9 Wochen lang 20 mg/kg/Tag erhielten, gab es keine deutlichen Unterschiede zwischen den Plasmakonzentrationen, die in der zweiten, vierten und achten Woche gemessen wurden. Der mittlere Spitzenwert wurde 3 Stunden nach Verabreichung erreicht und die Talspiegelkonzentration betrug 59 bzw. 46 μg/ml.

Pharmakokinetische Wechselwirkungen und Nebenwirkungen

Speziell für Katzen liegen mir keine Informationen vor.

dosisbedingte Nebenwirkungen 

Die tägliche Verabreichung von 10 mg/kg, bei zwei Katzen über den Zeitraum von 9 Wochen, führte zu keinen sichtbaren Nebenwirkungen. Appetitlosigkeit, Durchfall, Erbrechen, krankhafte Schläfrigkeit und Bewegungsstörungen wurden bei drei von sechs erwachsenen Katzen beobachtet, denen 9 Wochen lang 20 mg/kg/Tag verabreicht wurde. Die Plasmakonzentrationen bei den drei Katzen mit Nebenwirkungen (mittlere Talspiegelkonzentration 73,8, 49,9 und 41,9 μg/ml) waren deutlich höher als bei den drei Katzen ohne Nebenwirkungen (mittlere Talspiegelkonzentrationen 41,3, 38,1 und 32,8 μg/ml). Darüber hinaus wurden keine deutlichen Veränderungen des Körpergewichts, des Blutes oder der Serumbiochemie festgestellt. In einem Übersichtsartikel wird erwähnt, dass ZNS aufgrund von Appetitlosigkeit bei einer von zwei Katzen, bei denen es in unbekannter Dosierung verabreicht wurde, abgesetzt werden musste. 

 

Dosierungs- und Überwachungsempfehlungen

Basierend auf den begrenzt verfügbaren Daten beträgt die vorgeschlagene Dosis 5 bis 10 mg/kg alle 24 Stunden, obwohl dies im klinischen Umfeld nicht bewertet wurde. Auch der Zielbereich von Serumkonzentrationen ist noch nicht festgelegt.

 

Wirksamkeit

ZNS hat sich bei der Anfallskontrolle als wirksam erwiesen, jedoch sind die Informationen über die klinische Wirksamkeit sehr begrenzt und es werden weitere Daten benötigt, bevor die Verwendung empfohlen werden kann. In einem Übersichtsartikel hat ein Autor Informationen über die Verwendung als Begleitbehandlung zu PB bei zwei epileptischen Katzen veröffentlicht. Eine Katze wurde magersüchtig, was die Einstellung zur Folge hatte. Die andere Katze erlebte eine deutliche Verringerung der Anfallshäufigkeit und zeigte für etwa ein Jahr keine klinischen oder labortechnischen Auffälligkeiten.

 

wichtige Punkte

  • Die Serum- oder Plasmakonzentration sollte 1 Woche nach Behandlungsbeginn, Dosisanpassung oder nach einem Anfall kontrolliert werden.

  • Sollte ZNS trotz unzureichender Dokumentation als Behandlung angedacht sein, sind Blutwerte und Serumbiochemie vor und während der Behandlung regelmäßig zu überwachen.

  • ZNS hat eine einzigartige chemische Struktur und kann aufgrund seiner vielfältigen und ergänzenden Wirkmechanismen bei der Behandlung verschiedener Epilepsieformen wirksam sein.

  • Da es sich um ein sulfonamidbasiertes Medikament handelt, sollte die Befragung des Katzenhalters das Vorhandensein früherer allergischer Reaktionen auf sulfonamidhaltige Medikamente abklären.