Tierquälerei: Empathie, Mitgefühl & Bindungstheorie

Konzeptualisierung

Es gab viele Diskussionen und Forschungen über den Zusammenhang zwischen Tierquälerei und zwischenmenschlicher Gewalt. In vielerlei Hinsicht spricht das Thema viele psychologische und soziologische Aspekte einer Gesellschaft an und hat sich im Laufe der Zeit entwickelt. Margaret Mead (Ethnologin)  wies darauf hin, wie wichtig der Umgang einer Gesellschaft mit Tieren als Indikator für unseren Fortschritt als Spezies ist. Obwohl es wichtig ist, den Zusammenhang zwischen Tierquälerei und zwischenmenschlicher Gewalt zu verstehen, hat Tierquälerei natürlich an und für sich schon einen bedeutenden Wert.

Die Cambridge Declaration of Consciousness wurde 2012 von angesehenen Wissenschaftlern entwickelt und besagt, dass Tiere bewusste Wesen sind. Basierend auf dem Argument, dass »angesichts der Ähnlichkeiten zwischen den Verhaltensweisen und Nervensystemen von Menschen und anderen großen Hirnarten kein Grund besteht, an der Vorstellung festzuhalten, dass nur Menschen ein Bewusstsein besitzen«. Des Weiteren merken die Autoren an, dass »das Gewicht der Beweise darauf hinweist, dass der Mensch nicht der einzige ist, der die neurologischen Anlagen besitzt, die Bewusstsein erzeugen«. In Anbetracht dessen sind Tiere, inkl. aber nicht beschränkt auf Katzen und Hunde, bewusste Wesen, die die Auswirkungen von Missbrauch und/oder Vernachlässigung spüren. Gerade weil Täter in der Lage sind Tieren, die über ein Bewusstsein und menschenähnliches Schmerzempfinden verfügen zu Schaden, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass diese interpersonelle Gewalt ausüben.

Historisch gesehen haben Menschen mit Tieren um Ressourcen konkurriert, was zu Konflikten mit bestimmten Arten geführt hat. Diese engen Beziehungen, Interaktionen und der Zugang haben positive & negative Beziehungen hervorgerufen. Unsere Beziehung zu Tieren und Tierquälerei ist bigotterweise weniger klar als unsere Reaktion auf Gewalt gegen Menschen. Im juristischen Bereich gelten domestizierte Tiere als Eigentum und Gesetze im Zusammenhang mit ihrer Misshandlung oder ihrem Missbrauch beinhalten demnach lediglich den Verlust oder die Zerstörung von Eigentum – darüber hinaus war Tierquälerei zunächst ein Vergehen (s. Tierquaelerei: Historie). Auf der Grundlage unserer heutigen Perspektiven und den widersprüchlichen Ansichten über den Wert von Tieren scheint es klar, dass bei rund 14 800 000 (63,5 %) Hauskatzen in Deutschland, der Wunsch besteht konsequenterweise allen Tieren entsprechende Rechte zu bewilligen.

Der Grad der Bindung und Fürsorge, die Halter ihren Haustieren entgegenbringen, ist sehr unterschiedlich. Einige betrachten ihr Haustier als Familienmitglied und wenden viel Zeit, Geld und Energie auf, um ihre Beziehungen auszubauen. Sie kaufen spezielle Möbel, Kleidung, Spielzeug, belegen Kurse und kümmern sich fürsorglich um ihr krankes oder altes Tier. Am anderen Ende des Kontinuums stehen Menschen, die ein Haustier haben, zu dem sie wenig bis gar keine Bindung besitzen. Sie füttern das Tier oder auch nicht, binden es im Hof an und schenken diesem wenig bis gar keine Aufmerksamkeit. In extremen Fällen können sich Wut und geringes Selbstwertgefühl auf das Tier übertragen – das Tier funktioniert als »emotionaler Blitzableiter«. Viele Tierhalter lassen sich irgendwo zwischen diesen beiden Extremen einordnen. Manche besitzen lediglich aus praktischen und arbeitsbedingten Gründen Haustiere. Sie sorgen zwar für die Grundbedürfnisse des Tieres, betrachten es aber nicht als Familienmitglied.

 

 

Bindungstheorie: sichere, unsichere, ambivalente & unorganisierte Bindungsstile

Es gibt eine Reihe von Bindungsstilen, die sich in der Kindheit entwickeln und den Einzelnen bis ins Erwachsenenalter beeinflussen. Neben der Interaktion zwischen Elternteil und Kind beeinflussen auch der Gesundheitszustand des Kindes und die Umgebungsbedingungen die Entwicklung. Bindungsstile können in zwei Hauptkategorien eingeteilt werden:

  • sicher

  • unsicher mit drei Untertypen

  • unsicher-vermeidend (ängstlich)

  • unsicher-desorganisiert 

  • unsicher-ambivalent

Sicherer Bindungsstil: Diese Individuen haben eine positive Perspektive sowohl auf sich selbst als auch auf andere. Sie sind in der Lage, im Leben zurechtzukommen oder sich selbst zu beruhigen, sofern ihre Bezugsperson nicht verfügbar ist. Erwachsene, die eine feste Bindung haben, fühlen sich mit Intimität und Nähe sowie mit ihrer eigenen Autonomie wohl und schätzen sie. Infolgedessen werden diese als warmherzig, fürsorglich und ausdrucksstark beschrieben und haben weniger Probleme in zwischenmenschlichen Beziehungen.

Unsicherer Bindungsstil: Menschen dieser Gruppe verfügen über eine negative Wahrnehmung von sich selbst oder von anderen, was zu Konflikten in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen führt. Sie reagieren auf Zeiten der Trennung mit Verlassensangst, Eifersucht, verbaler und physischer Aggression. Forscher haben herausgefunden, dass dieser Bindungsstil u. a. mit Depressionen und anderen psychiatrischen Symptomen inkl. Alkoholmissbrauch verbunden ist. Darüber hinaus kann ein Zusammenhang mit krimineller Aktivität bestehen. Bei einer Stichprobe von männlichen Straftätern in forensisch-psychiatrischen Kliniken wurde bei 95 % der Täter ein unsicherer Bindungsstil festgestellt.

Betroffene Personen finden eine Trennung unerträglich und können sich ängstlich, distanziert oder ambivalent Verhalten. Sie empfinden sehr oft Angst, Furcht, Wut, Verwirrung und Einsamkeit – ihr Sozialverhalten ist gehemmt, misstrauisch und ablehnend. Intime Beziehungen sind geprägt von Konflikten – sie gelten als stark anhänglich, emotional, ängstlich oder zuweilen auch unpersönlich. Eine Studie ergab, dass 20 % dieser Gruppe eine Persönlichkeitsstörung aufwiesen,  gewalttätiger waren und sich ihnen bekannte Opfer aussuchten. Die Ursache für dieses Verhalten ist in einer Vorgeschichte der frühen Ablehnung durch einen Elternteil zu finden. Diese Kinder kommen damit nur zurecht, indem sie sich langfristig von dem Elternteil distanzieren, der nicht verfügbar war oder durch diesen regelmäßig enttäuscht wurden.

Beim ambivalenten oder unorganisierten Stil schwanken sie oft zwischen einem ängstlichen und distanzierten Stil und reagieren inkonsistent bei einer Trennung von ihrer Bezugsperson. 10 bis 15 % der Kinder zeigen solch einen Bindungsstil — bei missbrauchten Kindern liegt der Anteil sogar bei 48 bis 90 %. 

Die Erforschung von Konzepten bzgl. Bindungen und Einfühlungsvermögen können zu einem besseren Verständnis der Persönlichkeitsdynamik von Tätern führen – insbesondere über die Art und Weise, wie diese mit anderen Menschen und Tieren interagieren. Eine von Cain durchgeführte Umfrage ergab, dass 87 % der Tierhalter ihr Haustier als Familienmitglied betrachten. Obwohl dies ein Hinweis auf eine positive Beziehung sein kann, erklärt es ebenfalls, wieso Haustiere zu Zielen von Aggression und Gewalt werden.

Menschliche Ansichten: ethisch, moralisch & bigott 

Kellert versuchte die verschiedenen Ansichten, die Menschen gegenüber Tieren haben zu kategorisieren. Mittels Fragebögen ermittelte er die Einstellungen, das Wissen und das Verhalten von mehr als 3000 zufällig ausgewählten Amerikanern. Im Ergebnis lagen zwei grundlegende Strömungen, mit teilweise widersprüchlicher Wahrnehmung vor — auf deren Bedeutung gehe ich unten in »Mensch-Tier Beziehungen in Prozent« ein.

  • moralistische & utilitaristische Haltung: kollidieren rund um das Thema Ausbeutung durch den Menschen

  • negativistische & humanistische Haltung:  kollidieren rund um das Thema der Tierliebe

Serpell zerlegte diese Themen in zwei Hauptmotivationen:

  • Zuneigung zu Tieren »affect«

  • wirtschaftliche/pragmatische Erwägungen »utility«

Seiner Meinung nach lassen sich »affect« und »utility« dimensional durch ein Kontinuum zwischen positiv und negativ darstellen. Assistenzhunde passen in den oberen rechten Quadranten — sie sind nützlich und werden im Allgemeinen geschätzt. »Schädlinge« besetzen den linken unteren Quadranten — sie werden als problematisch angesehen und oft mit Abscheu und Antipathie verbunden. Viele Tierarten verursachen in diesem Kontext Probleme, weil sie sich nicht eindeutig gruppieren lassen. Potenzielle Konflikte entstehen, wenn Tiere zwar nützlich sind, aber nicht immer liebevolle Gefühle hervorrufen. Hühner z. B. werden zwar wegen ihrer Nützlichkeit geschätzt, sind aber nicht besonders geliebt. Gefährdete Arten wie der Tiger sorgen auch für zwiespältige Gefühle — diese beschränken menschliche Ressourcen, rufen aber zugleich große Zuneigung hervor. Für viele Menschen ist es schwierig, ihre Zuneigung gegenüber Tieren mit ihrer Nützlichkeit in Einklang zu bringen, da die Nutzung von Tieren immer Fragen des Wohlergehens und der Tötung aufwirft. Die zweckorientierte Ethik schafft nur scheinbar abhilfe – indem man zwar Tieren Rechte zubilligt, diese aber genauso schnell wieder entzieht, wenn es dem eigenen Vorteil dient.

Die Ansichten und Wahrnehmungen der Menschen gegenüber Tieren werden durch viele Faktoren beeinflusst oder verändert. Serpell schlägt drei Kategorien vor:

Tierische Eigenschaften: Bestimmte Arten der körperlichen Erscheinung oder des Verhaltens machen es wahrscheinlich, dass Tiere bei Menschen eine positive emotionale Reaktion hervorrufen. Eine ästhetisch ansprechende Körperform, niedliches Aussehen und scheinbar menschliche Verhaltensweisen, erhöhen ihren Status und damit ihre Berücksichtigung. Wer solchen Tieren absichtlich Schaden zufügt, wird hart bestraft. Selbst rechtlich einwandfreie Sanktionen wie die Tötung nicht einheimischer Arten, kann erhebliche Empörung und Konflikte verursachen. Darüber hinaus bergen genau diese Eigenschaften die Gefahr für Tiermisshandlung z. B. in Gestalt der Vermenschlichung (s. Katzenverhalten: Vermenschlichung Anthropomorphismus). Wir erinnern uns — Tiere funktionieren (zunächst) als »Blitzableiter« und Ersatzobjekt für menschliche Opfer.

Menschliche Eigenschaften: Die Einstellung der Menschen gegenüber Tieren variiert je nach Geschlecht, Alter, Bildungsniveau, städtischer oder ländlicher Lebensweise, Kindheitserfahrung, Religiosität und Persönlichkeit. Mehrheitlich haben Frauen, junge Erwachsene, höher Gebildete, Stadtbewohner, weniger religiöse Menschen und Personen, die bereits in ihrer Kindheit Haustiere hatten eine positivere Bindung. Männer, ältere Erwachsene, schlecht ausgebildete, ländliche Bewohner und Religiöse sehen Tiere eher als Nutzobjekte. Die Art der Beziehung zu Tieren, gleich ob in der Vergangenheit oder Gegenwart, verändert ebenfalls die Einstellung (z. B. bei Missbrauch oder finanzieller Abhängigkeit).

Kulturelle Faktoren: Wie bereits erwähnt, beeinflusst die Vergangenheit auch heute noch unseren Glauben. Religion ist ein Hauptfaktor und in den meisten Fällen zum Nachteil der Tiere (s. Tiermisshandlung & Tierquälerei: Historie). Im Rahmen der zweckorientierten Ethik wird auch nur die Nützlichkeit für den Menschen gesehen. Speziellen Tieren wie den Kühen im Hinduismus oder den Schweinen im Islam und Judentum wird eine zusätzliche Bedeutung beigemessen. Einige Kulturen verehren bestimmte Arten der Barbarei: Jagd als »Sport«, zu Nahrungszwecken oder Stierkampf. Populärkultur, Medien und Familie beeinflussen unsere Ansichten über bestimmte Tierarten oder deren Verwertung ebenso.

Die Kinderliteratur ist voll von anthropomorphenTierfiguren. Bigotterweise erfreut man sich nachmittags an »Schweinchen Babe« nur um abends gleichgültig ein Schnitzel zu essen — dessen Filmfigur so rein gar nichts mit der (quallvoll) vegetierenden Variante gemein hatte. Die Pelzherstellung ruft ein erhebliches Maß an Missbilligung hervor, während die Haltung von Legebatterie-Hühnern oder die Produktion von Leder – trotz vergleichbarer Tierschutz- und moralischer Bedenken – auf breite Akzeptanz stößt.

Auch die Wissenschaft verändert die Perspektiven, z. B. durch Dokumentationen tierischer Fähigkeiten. Massentierhaltung, Transport, Schlachtung oder der Einsatz von Versuchstieren werden hingegen sehr selten dargestellt. Es gibt erhebliche Bedenken, wenn Tiere in der Forschung, für wissenschaftliche und medizinische Anwendungen missbraucht werden, während zeitgleich die bereits hochtechnologische und pervertierte »Nutz«tierhaltung noch weiter gesteigert wird. Auf diesen Weise findet eine Manipulation statt, indem nicht gleichwertig über alle Facetten berichtet, sondern unerwünschtes herausgefiltert wird. Diese Beispiele machen deutlich, wie sehr wir in unserem Handeln & Denken von Kindesbeinen an manipuliert werden, damit wir die alltäglichen widersprüchlichen Extreme verdrängen können.

 

Mensch-Tier Beziehungen in Prozent

  • 1 % szientistisch: Hauptinteresse an physikalischen Eigenschaften & biologischer Funktion von Tieren

  • 3 % dominionistisch: primäres Interesse an der Beherrschung & Kontrolle von Tieren, oft in sportlichen Situationen 

  • 7 % ökologistisch: vorrangige Sorge um die Umwelt & Wechselbeziehungen zwischen Wildtierarten und natürlichen Lebensräumen 

  • 10 % naturalistisch: primäres Interesse & Zuneigung für Wildtiere und die freie Natur 

  • 15 % ästhetisch: primäres Interesse an den künstlerischen & symbolischen Eigenschaften von Tieren

  • 20 % moralistisch: vorrangige Sorge um die richtige & falsche Behandlung von Tieren, mit starker Ablehnung von Ausbeutung oder Grausamkeit

  • 20 % utilitaristisch: primäre Sorge um den praktischen & materiellen Wert von Tieren oder deren Lebensräume 

  • 35 % humanistisch: Grundinteresse & starke Zuneigung für bestimmte Tiere, vor allem Haustiere & größere Säugetiere 

  • 37 % negativistisch/neutralistisch: aktive & passive Meidung von Tieren aufgrund von Gleichgültigkeit, Abneigung oder Angst

Verwechslungsgefahr! Einfühlungsvermögen (Empathie) ist nicht gleich Mitgefühl

Die Fähigkeit eines Menschen, die Psyche und den emotionalen Zustand eines anderen zu verstehen, ist ein wichtiger Bestandteil des sozialen Miteinanders (Empathie & Bindung) und wird bereits in der Kindheit geprägt. Die Entwicklung von Einfühlungsvermögen & Mitgefühl ist entscheidend, insbesondere im Hinblick auf eine spätere gesunde soziale und emotionale Entwicklung zum Erwachsenen. Ein Mangel an adäquater elterlicher Fürsorge, der oft zu einem unsicherem Bindungsstil führt (s. Bindungstheorien: sichere, unsichere, ambivalente & unorganisierte Bindungsstile), kann zu Defiziten in der Entwicklung von Spiegelneuronen führen, was seinerseits in einer verminderten Empathiefähigkeit mündet.

Einfühlungsvermögen: Definition & Relevanz für die forensische Psychologie 

Das Konstrukt der Empathie ist in der akademischen Literatur und Populärwissenschaft erforscht worden. Insbesondere in den Bereichen Neurowissenschaften, Sozial-, Entwicklungs- & Persönlichkeitspsychologie sowie der Anthropologie fanden Untersuchungen statt. Das Studium der Empathie ist auch für das Gebiet der forensischen Psychologie hinsichtlich Tätertypologien, Motivationen und anderen Aspekten bzgl. Straftaten wichtig. Es gibt viele Definitionen und Theorien bzgl. Empathie – die evolutionstechnisch Beste wurde von de Waal et. al entwickelt. Laut de Waal entwickelte sich die Empathie der Säugetiere in über 200 Millionen Jahren und ist ein tief verwurzelter evolutionärer Mechanismus. Er behauptet, dass der Ursprung der Empathie in der mütterlichen Fürsorge liegt, da Mütter, die sich erfolgreich um die Bedürfnisse ihrer Nachkommen gekümmert haben, eine größere Wahrscheinlichkeit hatten, ihre Gene an die nächste Generation weiterzugeben. Schließlich habe sich die Entwicklung dann von den elterlichen Bindungen auf anderen Mitglieder in ihrer Gemeinschaft ausgeweitet. 

Zwei Formen von Empathie: taktisch/kognitiv vs. emotional/affektiv

Bubandt und Willerslev stellen fest, das es zwei gegensätzliche Bereiche der Empathie gibt. Die erste und allgemein bekannte Form, geht mit moralischem Verhalten inkl. gegenseitigem Verständnis, Altruismus, Trost, Mitgefühl, Fürsorge oder sozialen Kohäsionszielen einher. Dem gegenüber befindet sich die zweite dunkle Seite, die taktische Empathie inkl. Verführung, Täuschung, Manipulation und gewalttätigen Absichten. Profiler und Militärstrategen, aber auch Betrüger, Hochstapler und andere Gruppen üben taktische Empathie aus um die Perspektive und affektive Haltung eines erklärten Gegners oder Opfers einzunehmen. Dieses Vorgehen ermöglicht es Ihnen, einen strategischen Vorteil zu erlangen, jemanden zu täuschen oder zu verführen. Es ist also ganz offensichtlich, wie empathische Fähigkeiten sowohl auf prosoziale als auch auf antisoziale Weise genutzt werden können.

Bubandt & Willerslev befürworten de Waals Russian doll model (s. Tierquaelerei: Theorien und Hypothesen), da es Empathie nicht ausschließlich mit Moral verbindet sondern dessen neurobiologische Grundlage aus objektiv-wissenschaftlicher Sicht in den Mittelpunkt stellt. Gerade auf dieser empirisch gestützten Grundlage kann man das Konstrukt der Empathie exakter beurteilen. In diesem Zusammenhang diskutierten sie, wie z. B. Folter und Psychopathie, die im Gegensatz zu tugendhaften Handlungen oder Überzeugungen stehen, auf dem gleichen Grundsatz basieren können. de Waal erweiterte das Konzept: Gerade Psychopathie und Folter erfordern eine Wertschätzung dessen, was andere fühlen (Bewusstsein), während die übergeordnete Sorge um den anderen ausgeschaltet wurde (Mitgefühl) oder nicht existent ist. Ihre empathische Fähigkeit, zur kognitiven Empathie, wird so zum eigenen Vorteil genutzt. Taktisches Einfühlungsvermögen stellt einen bedeutenden Teil bei der Anstiftung zur Gewalt dar. Die Präsenz von Empathie bei Gewalttaten sollte besser untersucht werden, anstatt davon auszugehen, dass Gewalt nur in den Momenten stattfindet, in denen Empathie abgängig ist.

Meloy hat eine etwas gegensätzliche aber interessante Perspektive eingenommen. Er nennt taktisches Einfühlungsvermögen »räuberischer Scharfsinn« und stellt eine Theorie auf, nach der die Beobachtungsfähigkeit durch die verminderte kognitive Belastung durch Emotionen erhöht wird, was in der neurobiologischen Forschung zur Psychopathie deutlich zu sehen ist. Mit anderen Worten, wenn es weniger Anlass zur Sorge gibt (Angst, Bindung, Einfühlungsvermögen, andere sozialisierte Emotionen), ist die Beobachtungsschärfe größer, die im Dienste der räuberischen Gewalt genutzt werden kann. 

Verbundenheit und Einfühlungsvermögen 

Es wird angenommen, dass die Ausprägung von prosozialem & antisozialem Verhalten signifikant durch den Bindungstyp und die empathische Kapazität eines Individuums vorhersagbar wird. Empirische Forschungen weisen darauf hin: Entsprechende Defizite führen zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit, sich in herzlosen Verhaltensweisen gegenüber Menschen & Tieren zu verlieren. Jugendliche mit Empathie und prosozialem Verhalten hingegen werden sich mit größerer Wahrscheinlichkeit besser um Haustiere kümmern. Thompson und Gullone behaupten, dass Empathie als Kontaktpunkt bei der Untersuchung von Zusammenhängen zwischenmenschlicher Bindungen sowie der Behandlung von Tieren & Tierquälerei besteht. Die Ergebnisse zeigen einen positiven Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein von moralischer Empathie, Bindung inkl. prosozialem Verhaltens sowie einem humanen Umgang mit Tieren. Im Gegensatz dazu gab es einen deutlichen negativen Zusammenhang zwischen taktischer Empathie, negativen Bindungen und Tierquälerei.

McPhedran kritisiert die Verallgemeinerung von Empathie gegenüber Tieren und Menschen. Er merkte an, dass Studien den Mangel an Empathie als »zentralen Erklärungsfaktor« für Tierquälerei zu sehr betonen. Es sei zwar dokumentiert, dass Einfühlungsvermögen in zahlreichen Studien über Tierquälerei eine entscheidende Rolle spielt, dennoch müssen Forscher auf diesem Gebiet ihren Blickwinkel erweitern und alle potenziellen Faktoren berücksichtigen, die hierbei eine Rolle spielen.